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Krempeln wir die Ärmel hoch: Ingenieur und Öffentlichkeit

Kammerpräsident Prof. Dr. Norbert Gebbeken: Die Wahrnehmung des Ingenieurs in der Gesellschaft stärken

18.02.2019 - München

Krempeln wir die Ärmel hoch: Ingenieur und Öffentlichkeit

Der Berufsstand der Ingenieure muss sich in der Öffentlichkeit selbst Gehör schaffen - positiv und professionell! Welche Techniken können wir dazu nutzen und wie senden wir die richtigen Botschaften und Signale, um in den Medien entsprechend unserer Leistungen für die Gesellschaft gewürdigt zu werden? Da hilft kein Jammern, sondern nur die Ärmel hochkrempeln und anpacken, sagt Prof. Dr. Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau.

Dieser Artikel ist erstmals im Deutschen Ingenieurblatt 01/02 2019, S. 31 - 35 erschienen:
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Krempeln wir die Ärmel hoch

Tutzinger Quintessenz

Grußworte, Ansprachen, Gespräche am Rande von Veranstaltungen – manchmal sind sie schwer zu ertragen. Warum? Es wird sehr viel gejammert. „Nachwuchsmangel“, „schlechte Honorare“, „Bauingenieur –unattraktiv für junge Leute“, „Wir Ingenieure werden in der Öffentlichkeit viel zu wenig wahrgenommen!“, „Unsere Arbeit wird nicht wertgeschätzt und deshalb zu gering honoriert!“, „In den Medien wird über Ingenieure nur berichtet, wenn etwas schief geht!“, „Ständig werden wir mit Architekten verwechselt!“. Die Liste der Klagen lasse sich beliebig fortsetzen, bedauert der Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, Prof. Dr. Norbert Gebbeken, und wendet sich mit einem kritischen Diskussionsbeitrag an seine Berufskollegen.

Was leisten Ingenieure für die Gesellschaft? Ein Berufsbild im Wandel

Ich bin der Meinung: Statt zu jammern, sollten wir dringend hinterfragen, warum das so ist und was wir tun müssen, um das zu ändern. Der Vorstand der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau hat die Klagen zum Anlass genommen, den Berufsstand, die Berufsbezeichnung und die wiederkehrenden Klagen genauer unter die Lupe zu nehmen. In Zusammenarbeit mit der Akademie für Politische Bildung Tutzing luden wir deshalb am 15.11.2018 zu einer Diskussionsveranstaltung ein: „Was leisten Ingenieure für die Gesellschaft? Ein Berufsbild im Wandel“.

Mit 123 angemeldeten Gästen war der Saal ausgebucht, darunter fast 50 Studierende. Von Erstsemestern über junge Kollegen bis zu denen, die sich längst im verdienten Ruhestand befinden, waren alle Altersgruppen vertreten. Der Vorstand der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau war geschlossen anwesend. Einzig die mir bekannten „Jammerer“ konnte ich nicht entdecken – dabei hatte ich einige von ihnen im Vorfeld persönlich eingeladen.

Was für eine vertane Chance. Das Berufsbild des Ingenieurs, das Selbstverständnis, die Innen- und die Außenwahrnehmung, das sind die Dinge, die uns auch in unserer Vorstandsarbeit immer wieder beschäftigen. Diskussionen hierzu anzustoßen, betrachten wir als eine unserer zentralen Aufgaben. Nur wer sich kritisch mit dem Status Quo und mit sich selbst auseinandersetzt, erkennt rechtzeitig, wie die Weichen gestellt werden müssen.

Reden wir über Arroganz

Auf dem Ingenieuretag 2018 hielt der ehemalige Chefredakteur des BR-Fernsehens, Prof. Sigmund Gottlieb, uns schonungslos den Spiegel im Hinblick auf die mediale Wahrnehmung des Bauingenieurs vor. Hinterher war die Kritik an dem Medienprofi groß. Aber übte jemand Selbstkritik? Fehlanzeige. So kommen wir nicht weiter.

Ich stellte mir die Frage: Gibt es eine Arroganz der Ingenieure?

Raus aus der Kammer, rein in die Akademie für Politische Bildung Tutzing, wo „Der Geist (Wind) der Freiheit weht“ (so, in Deutsch, das Motto der Stanford University). Prof. Dr. Ursula Münch, Politikwissenschaftlerin und Direktorin der Akademie für Politische Bildung Tutzing, hat gemeinsam mit mir die Tagung geleitet und die Diskussion moderiert. Klare, kritische und inspirierende Impulsreferate gab es von Prof. Dr. Sabine Maasen, Wissenschaftssoziologin und Direktorin des Munich Center for Technology in Society (MCTS), Dr.-Ing. André Müller, Vorsitzender des VBI Bayern, Prof. Dr.-Ing. habil. Gerhard Müller, Baumechaniker und Vizepräsident für Lehre an der Technischen Universität München, und Prof. Hansjörg Zimmermann, Betriebswirtschaftler mit Schwerpunkt Markenkommunikation und Head of School of Creative Arts and Media School, Hochschule Macromedia. Wir hatten bewusst Vortragende ausgesucht, die unterschiedlichen Disziplinen angehören, aber alle irgendwie einen Bezug zur Technik haben.

Ich wollte in meiner Begrüßung mit der einen oder anderen Aussage etwas provozieren. Mein Ziel war eine lebhafte Diskussion. Das ist gelungen – die Resonanz auf die Veranstaltung war groß. Hauptsächlich Lob, aber auch Kritik. Das war es, was wir wollten. Meine Vorstandskollegen und ich möchten in der Kammerarbeit nicht den Weg einschlagen, den wir für richtig halten, sondern den Weg, den die Mehrheit unserer Mitglieder nach intensivem Diskurs für richtig hält. Dafür wurden wir gewählt. Nur ist es nicht immer so einfach, die Mehrheitsmeinung klar zu erfassen. Deswegen halten wir Diskussionsformate mit Partnern, die nicht aus unserer Branche kommen, für sehr wichtig. Man sollte, nein, man muss sich auf die Argumente anderer einlassen, reflektieren, neu bewerten, abwägen, eventuell die Marschroute neu ausrichten und schließlich: vereint und möglichst einvernehmlich marschieren, anpacken.

Ein Studium Generale für die Rolle in der Gesellschaft

Sabine Maasen ging auf verzerrte Wahrnehmungen ein: Einerseits eile Ingenieuren der Ruf der Gewissenhaftigkeit und Zuverlässigkeit voraus, andererseits sehen sie sich mit immer mehr nicht technischen Ansprüchen wie ökologischen, sicherheitstechnischen, ethischen und sozialen Komponenten ihrer Arbeit konfrontiert. „Der Ingenieurberuf kann sich hier nicht heraushalten, ist darauf aber eher schlecht vorbereitet“, meint Maasen und erläuterte, ebenso wie Gerhard Müller, wie die Hochschulen ihre Studiengänge und Lehrpläne weiterentwickeln müssen. An der TUM beispielsweise wurde das Master-Programm Reset (Responsibility in Science, Engineering and Technology) eingerichtet, in dem Fragen nach der verantwortungsvollen Regulierung von Wissenschaft und Technologie gestellt werden. Gerhard Müller verdeutlichte, wie sich die Studiengänge im Bauwesen dynamisch weiterentwickeln, hin zu interdisziplinären ganzheitlichen Ansätzen auf der Basis unverzichtbarer naturwissenschaftlicher Grundlagen. Weiterhin forderten Maasen und er ein Studium Generale, damit sich Bauingenieure stärker ihrer Rolle in der Gesellschaft bewusst werden.

Ingenieure, die bereits das Studium hinter sich gelassen haben, sollten nicht im eigenen Spezialgebiet hängen bleiben und sich verstecken. Sie sollten den Beruf des Bauingenieurs weiter fassen, netzwerken – wie es André Müller formulierte. Oder: „Sich an Systemen orientieren, nicht an Artefakten“ – wie es Gerhard Müller darstellte. Zimmermann gab den Zuhörern in der Akademie fünf Regeln mit auf den Weg:

  • Mit querdenkenden Web-Entwicklern anfreunden und von ihren Ideen profitieren. 
  • Menschen wollen sich nicht ändern, sie müssen zu Veränderung und Innovation getrieben werden.
  • Lieber schnell sein, als zu perfekt – gerade in Bezug auf so manches Bauprojekt.
  • Big Data nutzen. 
  • Weiter lernen.

Und dann gab er uns auch noch einen Ratschlag in Sachen Berufsbezeichnung mit auf den Weg: Bauingenieur? Zivilingenieur? Das klingt spröde, konservativ, „old school“ in einer Welt der Virtual Engineers, Data Scientists, Influencer und UX-Designer. Daher 6.: Mut zum neuen Namen!

Unscharf in der Bezeichnung

So viel zu den Impulsreferaten. Lebhaft diskutiert wurde im Anschluss die Frage, ob eine andere Berufsbezeichnung notwendig ist, um zu einem verbesserten gesellschaftlichen Ansehen zu kommen. Ob „Bauingenieur“ vielleicht unattraktiv, altbacken und zu unkonkret ist. Zumal mit diesem Begriff das Problem der Unschärfe verbunden ist. Ingenieure, die beispielsweise im Vermessungswesen oder in der technischen Gebäudeausrüstung arbeiten, sind nicht Bauingenieure, sondern „am Bau tätige Ingenieure“. Ein noch sperrigerer Begriff, der, wenn wir ehrlich sind, nur von „Eingeweihten“ verstanden wird. Politisch korrekt muss ich aber von „am Bau tätigen Ingenieuren“ sprechen. Sonst gibt’s Zunder. Der Laie sieht zwischen „Bauingenieur“ und „am Bau tätigem Ingenieur“ vermutlich keinen Unterschied. Wir haben deshalb den Begriff des „Zivilingenieurs“ zur Diskussion gestellt. Als Pendant zum englischen Civil Engineer. Allein dieser Ansatz bescherte mir bereits vor der Tagung bitterböse E-Mails. Die Schreiber, von mir nach Tutzing eingeladen, hatten an dem Abend andere Prioritäten. Schade.

Kurz ein Blick in die Geschichte. Die Berufsbezeichnung „Civil Engineer“ führte 1771 der britische Ingenieurpionier John Smeaton ein. Vorher, bereits 1743, wurde an der Ingenieurakademie in Dresden Zivilbaukunst unterrichtet. Durchgesetzt hat sich aber im deutschsprachigen Raum ab 1846 die Berufsbezeichnung „Bauingenieur“.

 Also doch besser zurück zum „Civil Engineer“, um unser Image aufzupolieren? Im englischsprachigen Raum scheint der „Civil Engineer” sehr positiv besetzt zu sein. Er wird sogar regelmäßig besungen. Es gibt bei Youtube viele Songs für „Civil Engineers“. Bei Albert Hammond kommt der „Civil Engineer” im Song „The Free Electric Band“ von 1973 vor. Da machen sich die Eltern eines jungen Mannes Gedanken, was nur beruflich aus ihm werden soll:

Well, they used to sit and speculate upon their son‘s career,
A lawyer or a doctor or a civil engineer,
Just give me bread and water, put a guitar in my hand,
‘Cause all I need is music and the free electric band.

Anwalt, Arzt oder Bauingenieur – das sind die Berufe, die die Eltern in England für erstrebenswert halten. Also die Berufe, die mit Ansehen und Renommee verbunden sind. Zumindest in Großbritannien. Albert Hammond stammt aus London.

Wie viele deutsche Eltern kennen wir, die ihren Kindern den Beruf des Bauingenieurs ans Herz legen? Also mal abgesehen von den „vorbelasteten“ Familien, in denen bereits die Eltern oder Großeltern Bauingenieure waren. Dann scheint die Lösung ja einfach zu sein. Wir bezeichnen uns ab sofort nicht mehr als Bauingenieure, sondern in Anlehnung an den „Civil Engineer“ als Zivilingenieure. Problem gelöst, oder?

Naja, nicht ganz. Denn wir müssen uns zunächst fragen, ob „Zivilingenieur“ die richtige Übersetzung ist. Der Begriff „zivil“ wird vorrangig verstanden als Gegenpol zum „Militär“. Zivile Infrastruktur versus militärische Infrastruktur. Ist es das, was wir sagen wollen? Irgendwie schon, denn wir bauen ja (bis auf wenige Ausnahmen) für die Zivilbevölkerung. Wenn man hier aber in die Psycholinguistik schaut, also die Wissenschaft, die sich mit der Bedeutung von Wörtern befasst, wird klar, dass bei „zivil“ eben immer das Militär in den Köpfen der Menschen mitschwingt. Und auch wenn jeder weiß, dass wir für den Verteidigungsfall militärisch gerüstet sein müssen – gerne denkt daran keiner. Damit besteht also die Gefahr, dass der Begriff des Zivilingenieurs von Anfang an negativ konnotiert wäre.

Die Krux mit der Selbst- und der Fremdwahrnehmung

In der Diskussion wurde letztlich deutlich: An der Berufsbezeichnung allein liegt esnicht, dass wir in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden. Unser britischer Kollege Hamish Douglas, Representative for Germany und Member of Council des ICE, Institution of Civil Engineers, wies darauf hin, dass in England dieselbe Diskussion geführt wird. Dort möchte man eventuell den „Civil Engineer“ umbenennen. Ein Diskussionsvorschlag ist „Responsible Design Engineer of the Built Environment“. Wenn wir uns an die Aussagen von Professor Zimmermann erinnern, also doch „Designer der gebauten Umwelt“? Design ist doch hip!

Irgendwie hielt es einen Studenten in Tutzing nicht mehr auf dem Stuhl. Er hielt eine flammende Rede auf den Bauingenieur. Tosender Beifall. Eindeutige Mehrheit. Auf den Nachwuchs können wir stolz sein.

Bleibt die Frage: Werden wir wirklich so schlecht wahrgenommen? Oder denken wir das bloß? Haftet uns etwas an, das vor Jahrzehnten geprägt wurde, heute aber eigentlich gar nicht mehr stimmt? Diesen Fragen möchte ich gerne nachgehen. Worauf fußt eigentlich die Annahme, dass wir Bauingenieure gesellschaftlich zu wenig anerkannt werden? Dass sich Medien und Politik kaum für uns interessieren? Und: Warum gehen die Studierendenzahlen im Maschinenbau dramatisch zurück, obwohl doch gerade da so gut verdient wird? Das Einkommen allein kann es also auch nicht sein. Das bestätigen auch Umfragen bei Abiturienten.

Einerseits sind wir sofort verschnupft, wenn ein Bauwerk (Brücke) als architektonische Meisterleistung bezeichnet wird, obwohl es eine Ingenieurleistung ist. Da fragen wir uns dann, warum wir übersehen werden und die Architekten uns – vermeintlich – überstrahlen. Wenn aber von „Pfusch am Bau“ die Rede ist, dann schieben wir interessanterweise nicht den Architekten den schwarzen Peter zu, sondern fühlen uns selbst angegriffen. Auch wenn es nicht explizit heißt, dass die Ingenieure gepfuscht haben. Das ist nicht logisch. Denn wenn unsere Wahrnehmung ist, dass Bauen zu sehr mit den Architekten verbunden ist, dann müsste das ja im Guten wie im Schlechten gelten. Dann wären immer die Architekten wahlweise die „Baugötter“ oder die Verursacher der Fehler. Und wir wären fein raus. Das wollen wir aber auch nicht. „Wir sind nicht die Rechenknechte der Architekten“, mag da mancher rufen.

Das sehe ich ganz genauso. Wir sind keine Rechenknechte oder Erfüllungsgehilfen. Wir sind Ingenieure. Und die Architekten sind unsere Partner bei der disziplinübergreifenden Gemeinschaftsaufgabe Planen und Bauen. Nicht mehr und nicht weniger.

Präsenz zeigen, reden und sich einbringen Woher kommt also die von uns als Desinteresse von Medien und Gesellschaft empfundene Wahrnehmung? Folgende Anekdoten waren meine Schlüsselerlebnisse:

Bayerischer Denkmalpflegepreis

Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau vergibt seit vielen Jahren den BayerischenDenkmalpflegepreis. Den Preis haben wir ins Leben gerufen, um die Leistungen der Ingenieure – in diesem Fall speziell in der Denkmalpflege – sichtbarer zu machen.

Da Denkmalpflege unstrittig eine Gemeinschaftsaufgabe ist, nennen wir in der Broschüre anlässlich der Preisverleihung auch stets alle Projektbeteiligten. Wenn wir dann an dem ausgezeichneten Objekt eine Ehrentafel anbringen, laden wir dazu selbstverständlich Medienvertreter ein, die zu dem Termin auch kommen. Wer allerdings schon einmal nicht gekommen ist, ist der beteiligte Ingenieur. Obwohl wir den Termin natürlich im Vorfeld mit ihm abstimmten. Dem Architekten würde das nie passieren. Der ist bei der Anbringung der Ehrentafel immer zugegen. Da können wir drauf wetten. Und was macht nun der Redakteur, der über diese preisgekrönte Sanierung berichten will, selbst aber von Bauthemen keine Ahnung hat? Richtig! Er fragt den Architekten und zitiert ihn später. Der Ingenieur war ja nicht da. Sollten wir das dem Redakteur vorhalten?

Nun verstehen Sie mich bitte nicht falsch, dieses Beispiel war glücklicherweise ein Einzelfall. Meist sind der beteiligte Ingenieur und der Architekt anwesend. Interessant ist dann aber wiederum, wie die am Bau Beteiligten auftreten. Der Architekt ist stets ansprechend, meist irgendwie hip gekleidet, weltmännisches Auftreten, medial geschult, Lächeln, Präsenz im Raum, Aura.

Der Ingenieur steht meist in der zweiten Reihe, die Garderobe tadellos – und er redet nur, wenn er gefragt wird. Und auch dann eigentlich nur, wenn er die Antwort verifiziert und validiert hat. Wird er gefragt, kommen schon mal Antworten wie: „Ich bin gerne Ingenieur, denn da muss ich mich nur an Mechanik und Statik halten, die physikalischen Grundgesetze eben. Ganz einfach eigentlich.“

Der Architekt schwingt aus dem Stehgreif eine große Rede über die wunderbaren Herausforderungen, das Individuelle des Projekts, die im weiteren Sinn künstlerische Note dieses Bauvorhabens und dessen gesellschaftliche Bedeutung.

Wen wird nun der Journalist bevorzugt interviewen? Wen wird er vorrangig für seinen Fernsehbeitrag filmen wollen? Wen will der Zuschauer, der kein Ingenieur ist, sehen? Und wer wird von den Medien später wieder angefragt?

Ein anderes Beispiel: Wir hatten jüngst eine erfahrene Fernsehjournalistin zu einem Hintergrundgespräch zu Gast bei uns in der Kammer. Es wurden sehr offene Wortegesprochen. Wir haben sie gefragt, warum Ingenieure so selten in der Berichterstattung vorkommen. Ihre Antwort: „Wir würden ja gerne mehr mit Bauingenieuren machen, aber versuchen Sie mal einem Bauingenieur zwei vollständige für Zuschauer verständliche Sätze zu entlocken!“

Die Dame macht ihren Job nicht erst seit gestern und hat bei ihrem Arbeitgeber eine sehr verantwortungsvolle Position inne. Die ist nicht „irgendwer“. Deswegen dürfen wir uns bei so einer Aussage nicht in die Schmollecke zurückziehen. Ich verweise auf Sigmund Gottlieb. Wir müssen es sehr ernst nehmen, was sie sagen. Die Journalistin sagte im Übrigen bei vielen Themen, über die wir uns ausgetauscht haben, auch, dass sie diese sehr wohl interessierten. Sie hatte sie bislang schlicht nicht auf dem Schirm. Es habe ihr keiner gesagt, an welchen Themen wir „dran“ sind. Aber sie wird sie nun – zusammen mit uns – nach und nach aufbereiten.

„Dringend mal reflektieren“

Mir dämmert inzwischen, wo der Fehler liegt. Wir sagen den Multiplikatoren nicht, was wir tun. Deswegen weiß es keiner. Und wenn wir doch mal etwas sagen, dann ist es für Laien nur schwer oder gar nicht verständlich, weil viele von uns nur Fachchinesisch können. Oder wir jammern. Mögen wir Menschen, die ständig klagen? Ich glaube, Jammerer sind ähnlich beliebt wie Besserwisser oder Ignoranten. Mit dem ständigen Wiederholen von Missständen überzeugen wir weder Politiker noch Medien noch junge Leute, die vielleicht mal ein Ingenieurstudium ergreifen könnten. Wir tragen möglicherweise sogar dazu bei, dass sich unser Image, mit dem wir ja hadern, verfestigt. Man muss bestimmte Dinge nur oft genug sagen, dann werden sie irgendwann als Tatsachen angesehen. Das gilt im Positiven wie im Negativen. Ansichten, oder nennen wir es ruhig „Vorurteile“, verfestigen sich, je länger sie bestehen. Ich wette, einige von Ihnen, liebe Leser, fangen spätestens jetzt an, eine E-Mail aufzusetzen und mir ordentlich die Meinung zu geigen. Wie kann ein Präsident einer Ingenieurkammer so über seinen Berufsstand herziehen? Und wieso gibt das Deutsche Ingenieurblatt dem Ganzen auch noch Raum?

Warum? Weil wir dringend mal reflektieren müssen. Selbstkritisch sein. Was wollen wir eigentlich? Und was ist jeder Einzelne von uns bereit, für die Erreichung dieser Ziele zu tun?

Bei der Tagung in Tutzing wurde generationenübergreifend deutlich, wie stolz Ingenieure auf ihren Beruf sind. Sie brennen für ihren Beruf. Sie lieben ihn. Sie sind leidenschaftlich. Das ist eine ideale Basis dafür, Menschen für unseren Beruf zu begeistern. Junge Leute dazu zu bringen, Bauingenieur zu werden. Und bei allen anderen das positive Image zu bekommen, das wir uns wünschen. Begeistern statt jammern. Also, nicht tief stapeln. Sondern stolz und begeistert auftreten. Stolz, nicht arrogant.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns aufhören zu jammern. Lassen Sie uns die Dinge anpacken. Lassen Sie uns proaktiv nach außen gehen! Mit der Botschaft, die wir senden wollen. Nicht mit der Botschaft, die uns übergestülpt wird. Lassen Sie uns zu gefragten Experten in den Medien und der Öffentlichkeit werden. Lassen Sie uns zusammen mit Kommunikationsexperten daran arbeiten. Wer die finanziellen Mittel hat, der sollte darüber nachdenken, jemanden einzustellen, der für ihn nach außen kommuniziert. Wir in der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau setzen da ausnahmslos auf Nicht-Ingenieure. Das macht zunächst etwas mehr Arbeit. Wir müssen ihnen nämlich Dinge erklären, die für uns völlig klar sind. Aber wenn es unsere Mitarbeiter schon nicht verstehen, die es ja verstehen wollen, können wir dann wirklich erwarten, dass es jemand versteht, der uns gar nicht zuhören muss? Wir sollten also sehr genau darauf achten, wann ein Nicht-Ingenieur im Gespräch mit uns die Stirn runzelt oder es im Saal unruhig wird. Dann ist nämlich die Botschaft nicht angekommen und wir müssen nochmal neu erklären. Unser Tun jedermann zu erklären, das ist harte Arbeit. Einen Sachverhalt vor der Kamera zigmal anders zu sagen, bis er „im Kasten“ ist – für Ingenieure in Zumutung. Aber sehr sinnvoll, um sich professionell zu positionieren.

Die richtigen Botschaften senden

Die richtigen Botschaften senden

Wenn die Botschaft bei den uns gewogenen Kommunikationsfachleuten angekommen ist, kennen diese die richtigen Wege, um unsere Nachricht zu platzieren. Unsere Pressereferentin erklärte mir mal, sie sehe sich vielmehr als Dolmetscherin. Für uns. Ingenieure sprechen eine etwas andere Sprache. Das macht nichts. Man muss sie nur richtig übersetzen, damit die Botschaft ankommt. Und das geht. Wir haben dazugelernt, wie wir mit Nicht-Ingenieuren sprechen müssen, um verstanden zu werden, um interessant zu sein. Und wir lernen weiter.
Mit Demut.

Selbst das Schreiben einer Pressemitteilung (PM) basiert auf wissenschaftlichen Grundlagen der Kommunikationsforschung. Werden die nicht beachtet, dann rauscht die PM in den Redaktionen gleich in den Papierkorb. Erneutes Jammern. Aber: Wo liegt der Fehler?

Der Blick auf die Veröffentlichungszahlen der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau sagt mir, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Nicht nur die Zahl der Medien, in denen wir zitiert werden, wächst. Auch die Qualität der Medien, in denen wir vorkommen, steigt stetig. Mein Vorstandskollege Markus Hennecke war z. B. schon in den „heute“-Nachrichten im ZDF zu sehen. Seitdem wird er immer wieder angefragt – „er kommt rüber“, ebenso wie Thomas Herbert, der Vorsitzende unseres Ausschusses Baurecht und Sachverständigenwesen, bei Fragen zum Brandschutz. Ich habe schon mehrfach mit dem Bayerischen Rundfunk gedreht. Aber auch mit dem ZDF, der ARD oder dem SWR. Und mit den „Privaten“, wie Pro7. Denn auch das Infotainment, wie es so schön neudeutsch heißt, hat seine Berechtigung und hilft uns in der öffentlichen Wahrnehmung. Es ist nicht so, dass alle privaten Sender per se unseriös sind, wie es gerne behauptet wird. Für Interviews und Drehs geht Zeit drauf. Meistens kommen die Anfragen zeitlich ungelegen. Aber das ist das Mediengeschäft. Das müssen wir akzeptieren. Der dpa, der wichtigsten deutschen Nachrichtenagentur, geben wir inzwischen regelmäßig Interviews. Wir setzen aktiv Themen, werden aber auch immer wieder um Stellungnahmen gebeten. Die Zeiten, in denen wir auf einen kleinen Artikel in einer Lokalzeitung gehofft haben, sind längst vorbei.

Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau ist in ihrer Außenkommunikation mutiger und flexibler geworden. Mit Erfolg. Wir möchten ja von der Bevölkerung verstanden werden. Deshalb ziehen wir die Konsequenzen und ändern unsere Kommunikationsstrategie. Wir ducken uns nicht weg, wenn Medien unsere Fachexpertise suchen. Wir stellen unser Licht nicht länger unter den Scheffel. Wir sagen: „Wir sind Gestalter der Gesellschaft. Wir gestalten die gebaute Umwelt. Wir sind die Macher der Energiewende. Wir sind Problemlöser. Wir haben eine hohe Verantwortung für die und in der Gesellschaft.“

Die kontroverse Diskussion in Tutzing hat gezeigt, dass wir gewisse Phänomene teilweise unterschiedlich sehen. Auch die Problemlösungsstrategien können unterschiedlich sein. Aber eines wurde ganz klar: Wir sind ausnahmslos stolz, Bauingenieure oder am Bau tätige Ingenieure zu sein. Das ist ein ganz wichtiges Signal. Darauf können wir bauen.

Verantwortungsvolle Gestalter, Macher, Problemlöser in einer sich wandelnden Welt, Dienstleister für die Gesellschaft – so möchte ich, dass wir wahrgenommen werden. Also hören wir auf zu jammern, hören in den Diskussionsrunden, wie dieser in Tutzing, zu und lernen hinzu. Dann krempeln wir die Ärmel hoch und gehen es mit Freuden an! Die nächste Veranstaltung in Tutzing am Starnberger See ist bereits geplant. Am 24. und 25. Mai zum Thema „Wenn die Mobilität im Stau steckt. Wege zu einer nachhaltigen Verkehrsinfrastruktur“. Wer diskutiert mit? Die Thematik ist nicht auf Bayern beschränkt.

Prof. Dr.-Ing. Norbert Gebbeken

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