26.11.2025 - München
In Teil 4 unserer Interviewreihe mit Frauen im Ingenieurwesen sprechen wir mit Ulrike Steinbach. Sie ist seit vielen Jahren in den Gremien der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau und auch auf Verbandsebene aktiv. Steinbach ist Mitglied im Arbeitskreis Gleichstellung und gehört der Vertreterversammlung der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau an. Wie bei so vielen Ingenieurinnen und Ingenieuren wurde auch bei ihr das Interesse am Bauen schon in Kindertagen geweckt. Ihre Vorbilder waren Mutter und Opa, die ein Architekturbüro betrieben.
Frau Steinbach, warum haben Sie sich entschlossen, Bauingenieurin zu werden?
Das war im Prinzip bereits im Alter von 10 Jahren. Ich bin schon als Kleinkind im Architekturbüro meines Opas herumgekrabbelt, wo auch meine Mutter als Architektin gearbeitet hat. Mein Opa war gleichzeitig auch Statiker, daher habe ich das schon immer als Einheit betrachtet. Beim Baustellenpraktikum als Hilfsmaurerin habe ich gemerkt, dass ich mehr der technische Mensch bin und habe auf Bauingenieurwesen umgeschwenkt – Gott sei Dank vor dem Studium.
Wie waren die Reaktionen in Ihrem Bekanntenkreis, als dieser Berufswunsch feststand?
Ich kann mich an keine besonderen Reaktionen erinnern, ehrlich gesagt. Die größte Überraschung bestand vermutlich darin, dass ich das, was ich schon mit 10 gesagt hatte, mit 19 immer noch machen will.
Was hätten Sie gerne schon im Studium über Ihren künftigen Beruf gewusst?
Ich mache Altbausanierung, befasse mich also mit historischen Gebäuden. In meinem Studium ist das Wort „Bestand“ überhaupt nicht vorgekommen. Schon mit 10 hatte ich beschlossen, Altbausanierung zu machen, weil ich damals fand, dass Deutschland bereits genügend zugebaut ist. Da wäre es schon schön gewesen, zu diesem Thema wenigstens Grundlagen vermittelt zu bekommen.
An welche Situation in Ihrem Berufsleben erinnern Sie sich besonders gerne und an welche weniger?
Bei der Beurteilung und Instandsetzung von historischen Gebäuden arbeite ich mit ganz vielen unterschiedlichen Planungs- und Ausführungsgewerken zusammen. Da treffe ich mit vielen interessanten Menschen zusammen, von denen ich sehr, sehr viel lernen konnte. Das mag ich an meinem Beruf. Was mir weniger gefällt, ist, wenn ich merke, dass Baubeteiligte mich nur brauchen, damit ich den Kopf hinhalte für hochriskante Ausführungsweisen, die für sie selbst vordergründig einfacher umzusetzen sind als die korrekte Vorgehensweise.
Wenn wir die Uhr nochmal zurückdrehen würden und Sie Ihren Beruf nochmal neu wählen könnten - würden Sie sich wieder fürs Ingenieurwesen entscheiden?
Sehr schwierige Frage – mit 3 Jahren wollte ich Naturforscherin werden und dieses Grundbedürfnis wohnt immer noch in meinem Herzen, aber eben auch das Ingenieurwesen. Beides entspricht meinen Grundneigungen.
Was hat sich aus Ihrer Sicht in den vergangenen Jahren an den beruflichen Anforderungen und Rahmenbedingungen verändert?
Es ist aus meiner Sicht alles weniger klar und übersichtlich geworden, in jeder Hinsicht (sowohl fachlich als auch organisatorisch). Statische Nachweise beispielsweise sind wesentlich komplexer geworden – allerdings sind auch mittlerweile Konstruktionen möglich, die früher einfach nicht nachweisbar gewesen wären. Die politischen Rahmenbedingungen haben sich in den letzten gut 20 Jahren dahin gewandelt, dass das Bauwesen von einer mittelständischen Struktur hin zu Konzernstrukturen umgeformt werden soll. Ähnlich wie früher schon die Chemie-, Automobil- und Textilbranche.
Sind sind seit 2013 freiwilliges Mitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. Was hat Sie bewogen, in die Kammer einzutreten?
Ich war Ingenieure-Referentin im BDB, Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure e.V., weil ich gerne die Rahmenbedingungen meines Berufsstandes mitgestalten wollte. Und es stand die nächste Kammerwahl an, bei der ich für den BDB die Liste anführen sollte. Vorher hatte ich mich gar nicht in der Kammer gesehen, in meinem Kopf war das nur was für Büroinhaberinnen und -inhaber.
Sie sind Mitglied im Arbeitskreis Gleichstellung der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau und auch in einem Verband aktiv. Warum ist Ihnen das Ehrenamt wichtig?
Für mich ist ein gutes Zusammenwirken aller Beteiligten bei einem Projekt, aber auch bei der politischen Formung der Rahmenbedingungen wichtig. Grundvoraussetzung für dieses Zusammenwirken ist, dass die verschiedenen Beteiligten die jeweils anderen Akteurinnen und Akteure samt ihren Bedürfnissen und Randbedingungen wahrnehmen, verstehen und mitdenken. Dafür ist das Ehrenamt eine ganz wichtige Unterstützung.
Wie könnte man mehr Frauen motivieren, Bauingenieurwesen zu studieren und sich später auch in der Kammer einzubringen?
Neugierde wecken und Vorbilder sind ganz wichtig – ich selbst bin so ziemlich ohne Einschränkungen durch Geschlechterrollen aufgewachsen. Weil ich eine Außenseiterin in unserem Dorf war und außerhalb der Schule nur mit meinen zwei Brüdern und zwei Nachbarsbuben unterwegs war, völlig gleichgestellt. Und weil eben meine Mutter Architektin war und mein Vater mich schon als Kleinkind nicht nur in Konzerte und Museen, sondern auch in die Physiksammlung seiner Schule mitgenommen hat, wenn er Versuche vorbereitet hat. Kinder sollten schon von klein auf ihre Neigungen in jede Richtung ausprobieren können.
Für ein Engagement in der Kammer ist zum einen die gute Präsenz der Kammer und zum anderen eine Unterstützung in den Büros wichtig. Und noch mehr Ausgeglichenheit der Belastungen hinsichtlich Fürsorgearbeit, wo meist immer noch Frauen mehr abverlangt wird als Männern.
Wie ist es Ihrer Ansicht nach um die Gleichstellung im Bauwesen allgemein und in der Kammer im Besonderen gestellt?
Es hat mich bei der Mitwirkung im AK Gleichstellung doch überrascht, wie wenig sich in den letzten 20 Jahren bei der Erhöhung des Frauenanteils in den Führungspositionen getan hat (in Zahlen: 3 % Steigerung). Je weiter nach oben es geht, desto dünner wird die Luft für Frauen, auch in der Kammer. Die Gründe sind vielschichtig, u. a. spielen dabei gesellschaftliche Randbedingungen, wenig Vorbilder sowie festsitzende Klischees in den Köpfen von Männern und Frauen eine Rolle. Es ist noch ein dickes Brett zu bohren und ich begrüße es sehr, dass die Kammer sich da anstrengt.
Wie stehen Sie zum Thema Gendern?
Für mich ist Sprache wie Musik, sie schafft Stimmungen, transportiert Inhalte und dabei ist der Klang ganz wichtig (egal, ob uns das bewusst ist oder nicht). Durch Sprache kann man Sichtbarkeit schaffen oder beeinträchtigen, dazu gibt es beeindruckende Versuche. Ich möchte gern durch Sprache Sichtbarkeit schaffen. Die Grenze ist für mich dabei, dass der Inhalt nicht durch holprige Formulierungen in den Hintergrund gerät. Im Extremfall schicke ich eine Bemerkung voran, dass ich abwechselnd weibliche und männliche Formulierungen verwende, immer aber alle Geschlechter gemeint sind. Und dann verwende ich die Formulierung bewusst konträr zu rollenhaften Zuordnungen.
Frau Steinbach, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Fotos: privat, BDB
Gemischte Teams erzielen bessere Ergebnisse, findet Angelika Rudloff. Passenderweise leitet sie den Arbeitskreis Gleichstellung der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau und teilt sich den Vorsitz mit Paul Haider. Sie wünscht sich einen höheren Anteil von Frauen in Führungspositionen, sieht aber in gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen mehrere Hemmnisse. " Positiv sehe ich, dass die Kammer offen ist für eine stärkere Beteiligung von Frauen – sowohl in der Vertreterversammlung als auch im Vorstand. Aber angesichts der niedrigen Gesamtzahlen an Bauingenieurinnen und der geringeren Besetzung von Führungspositionen bleibt dieses Ziel eine große Herausforderung", sagt Steinbach.
"Das schaffst du nicht!" – sagte einst ein Bekannter zu Vesela Krasteva-Stoltmann, als sie ihm erzählte, dass sie Bauingenieurwesen studieren wolle. "Jetzt erst recht!", war ihre Reaktion. Und inzwischen steht sie in diesem Beruf erfolgreich ihre Frau. Beim Regionalforum "Bauingenieurin – gestern, heute, morgen" in Deggendorf am 2. Juli 2025 erzählte sie von ihrem Werdegang. Lesen Sie hier das Interview mit Vesela Krasteva-Stoltmann.
Mehr Pippi Langstrumpf wagen – mit diesem Appell sprach sich Anneliese Hagl Mitte Februar beim Regionalforum "Bauingenieurin – gestern, heute, morgen" in Nürnberg für mehr Frauen in der Baubranche und in Führungspositionen aus. Zum Auftakt unserer Interviewserie mit Frauen im Ingenieurwesen haben wir mit der Glasbauexpertin gesprochen.
Die Baubranche befindet sich im Wandel, auch hinsichtlich der Struktur der am Bau Beteiligten. War die Baubranche bis vor ein paar Jahrzehnten vor allem eine Männerdomäne, ergreifen heute immer mehr Frauen ein Ingenieurstudium und streben nach verantwortungsvollen Positionen oder eröffnen ein eigenes Büro. Der Ausschuss „Leben | Arbeit | Karriere“ hatte am 13.02.2025 unter dem Motto "Bauingenieurin: Gestern, heute, morgen“ zum Austausch unter Kolleginnen und Kollegen aller Disziplinen zum Regionalforum nach Nürnberg eingeladen. Lesen Sie hier unseren kurzen Rückblick und sehen sich die Fotos an!
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