16.08.2023 - Berlin
Der Gebäudesektor in Deutschland hat seine Reduktionsziele beim Ausstoß von Treibhausgasen im vergangenen Jahr deutlich verfehlt. Das liegt vor allem daran, dass hierzulande seit vielen Jahren viel zu wenig in die energetische Gebäudesanierung investiert wird, wie eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) in Kooperation mit dem Baudienstleister Heinze GmbH zeigt.
Dabei steckten die Eigentümer*innen von Immobilien im Jahr 2022 mit rund 67 Milliarden Euro zwar rund 40 Prozent mehr in energetische Sanierungen als im Jahr 2011. Real, wenn man also die über die Zeit und besonders im letzten Jahr gestiegenen Preise berücksichtigt, waren die Investitionen aber in jedem der vergangenen elf Jahre geringer als 2011 – zuletzt um 13 Prozent.
„Das Niveau der energetischen Sanierungen reicht nicht aus, um das Potenzial der Energieeinsparungen im Gebäudesektor auszuschöpfen“, sagt Ökonom Martin Gornig, stellvertretender Leiter der Abteilung Unternehmen und Märkte im DIW Berlin und gemeinsam mit Katrin Klarhöfer von der Heinze GmbH Autor der Studie. Für ihre Studie haben Gornig und Klarhöfer Daten aus der Bauvolumenrechnung des DIW Berlin mit dem von der Heinze GmbH erhobenen Modernisierungsvolumen kombiniert, für das auch repräsentative Umfragen unter Mieter*innen und Eigentümer*innen herangezogen werden. Damit lassen sich erstmals konkrete Aussagen über Art und Umfang realer energetischer Sanierungen treffen, die nicht aus der amtlichen Statistik ablesbar sind.
Den Berechnungen von Gornig und Klarhöfer zufolge flossen in die Dämmung von Dach, Keller und Außenwänden aller Gebäude in Deutschland – neben Wohngebäuden also beispielsweise auch Gewerbeimmobilien – im Jahr 2022 gut 20 Milliarden Euro. In die Erneuerung von Fenstern und Außentüren wurde im vergangenen Jahr ähnlich viel investiert. Für neue Heizungsanlagen und Klimatechnik gaben die Eigentümer*innen der Immobilien sogar fast 25 Milliarden Euro aus. Inflationsbereinigt investierten sie jedoch in allen drei Bereichen zwischen zehn und 20 Prozent weniger als im Jahr 2011. Bei Nichtwohngebäuden waren die Rückgänge in den Bereichen Fenstern und Türen sowie Heizungsanlagen noch deutlich stärker als bei Wohngebäuden.
„Das Niveau der energetischen Sanierungen reicht nicht aus, um das Potenzial der Energieeinsparungen im Gebäudesektor auszuschöpfen“, sagt Martin Gornig. Die Investitionen in energetische Gebäudesanierungen haben sich dabei auch deutlich schlechter entwickelt als andere Baubereiche, allen voran der Neubau – dessen Volumen lag im vergangenen Jahr rund 40 Prozent über dem des Jahres 2011. „Darin liegt auch eine Ursache der Misere bei den energetischen Sanierungen“, erklärt Studien-Co-Autorin Katrin Klarhöfer von der Heinze GmbH: „Es fehlte in der Bauwirtschaft in den vergangenen Jahren schlicht an Kapazitäten – und der Neubau war für die Unternehmen im Zweifel lukrativer.“
Genau darin könnte aber auch eine Chance in den kommenden Jahren liegen: Da wegen der hohen Baupreise und der Wirtschaftsflaute deutlich weniger neu gebaut wird, bleibt mehr Kapazität für energetische Sanierungen. Auch die deutlich gestiegenen Energiepreise erhöhen die Anreize für Eigentümer*innen, solche Investitionen vorzunehmen, wie sich bereits im vergangenen Jahr zeigte.
Dennoch bleibe die Herausforderung „gewaltig“, betonen Gornig und Klarhöfer. Um die Sanierungs- und CO2-Reduktionsziele zu erreichen, müsste sich die Sanierungsrate innerhalb kurzer Zeit vervielfachen. Auch die Kapazitätsengpässe in der Bauwirtschaft blieben trotz der Flaute im Wohnungsbau ein Problem.
„Es muss dringend verhindert werden, dass staatliche Fördermittel, wie sie beispielsweise demnächst im Klima- und Transformationsfonds bereitgestellt werden, schlicht in steigenden Preisen verpuffen“, so Gornig. „Dafür brauchen wir einen koordinierten Ausbau der Produktions- und Installationskapazitäten.“
Im Sinne einer konzertierten Aktion sei eine enge Abstimmung zwischen Produzenten, Baufirmen sowie öffentlichen und privaten Investoren sinnvoll. Die Einrichtung einer entsprechenden Koordinierungsstelle könne helfen, Fördermittel effizient zu verteilen und so auch die Kapazitäten in der Sanierungsbranche zu erhöhen. „Das Vorgehen der USA beim Aufbau von Impfkapazitäten im Zuge der Corona-Krise ist ein gutes Beispiel dafür, wie dies gelingen kann“, so Gornig.
Quelle und Grafik: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)
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