12.01.2022 - Berlin
Laut Angaben der aktuellen DIW Bauvolumenrechnung werden die Umsätze im Bausektor im Jahr 2022 weiter kräftig wachsen. Dabei erweist sich der Wohnungsneubau als besonders krisenfest, wobei Wirtschaftsbau und öffentliche Hand aufholen dürften. Eine Herausforderung bleiben die rapide steigende Produzentenpreise. Die konkrete mittel- und langfristige Investitionsplanung der neuen Bundesregierung könnte jedoch die Perspektiven für das Baugewerbe verbessern.
Die deutsche Bauwirtschaft erweist sich gegenüber den wirtschaftlichen Ausschlägen der Corona-Pandemie als weitgehend resistent und bleibt auf Wachstumskurs. Die Nachfrage insbesondere nach Wohnraum bleibt ungebrochen, obwohl die Preise für Bauleistungen nach oben schießen. Der Preisanstieg trug maßgeblich dazu bei, dass das nominale Bauvolumen nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) im abgelaufenen Jahr um rund zehn Prozent auf einen historischen Höchstwert von 488 Milliarden Euro kletterte, was einem Anteil von knapp 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht.
In diesem Jahr wird die Bauleistung voraussichtlich um weitere fast 13 Prozent und im kommenden Jahr um gut sechs Prozent zulegen. Preisbereinigt bleibt für 2022 und 2023 immer noch ein Zuwachs von jeweils rund drei Prozent. „Die Bauindustrie ist und bleibt ein Stützpfeiler der coronageplagten deutschen Wirtschaft“, sagt Martin Gornig, Studienautor und Forschungsdirektor Industriepolitik am DIW Berlin. „Die besonderen Kapazitätsengpässe und der hohe Nachfragedruck machen die Bauwirtschaft aber auch zu einem Treiber der Inflation.“
Der Wunsch nach den eigenen vier Wänden bleibt trotz steigender Produzentenpreise ungebrochen: Dank geringer Zinsen für Baufinanzierungen und der in der konsumarmen Corona-Zeit gestiegenen Ersparnisse dürften viele Haushalte ins Eigenheim investieren. In diesem Jahr wird wohl wieder mehr gebaut und verstärkt die Modernisierung bestehender Immobilien in Angriff genommen.
„Dabei liefert insbesondere der im vergangenen Jahr eingeführte CO2-Preis einen Anreiz für energetische Sanierungen“, so Studienautorin Laura Pagenhardt, Mitarbeiterin der Abteilung Konjunkturpolitik. „Die nach Jahren äußerst günstiger Brennstoffe zuletzt wieder gestiegenen Energiepreise werden die Haushalte wohl ebenfalls veranlassen, in die Energieeffizienz ihrer Häuser zu investieren.“ Auch die von der neuen Bundesregierung geplante Anhebung der Abschreibungsraten dürfte derartige Bestandsinvestitionen attraktiver machen.
Der Wohnungsneubau dürfte mit Blick auf die Umsätze auch im laufenden und im kommenden Jahr florieren. Nach einem Plus von gut zehn Prozent im abgelaufenen Jahr wird sich der nominale Zuwachs in diesem Jahr voraussichtlich auf dieselbe Größenordnung belaufen. Da allerdings die Preissteigerungen in ähnlicher Größenordnung liegen, dürfte die reale Neubauleistung kaum steigen.
Erst im Jahr 2023 wird das Neubauvolumen wohl stärker steigen als die Baupreise - also auch der Umfang neu erstellten Wohnraums wieder zulegen. Entsprechend sollten schon heute Strategien entwickeln werden, wie die ambitionierten Ziele zur Schaffung von neuem Wohnraum in der gegenwärtigen Legislatur noch zu erreichen sind.
Im Wirtschaftsbau ist nach zwei schwachen Corona-Jahren mit Nachholinvestitionen zu rechnen. Bauprojekte wurden pandemiebedingt auf Eis gelegt, werden aber voraussichtlich mit der gesamtwirtschaftlichen Erholung wieder angeschoben. Im Laufe des Jahres dürften sich auch die Lieferketten stabilisieren und Materialknappheiten reduziert werden.
Im öffentlichen Bau stehen die Zeichen auf Wachstum: Wo sich zuletzt knappe Kassen und Investitionsstau bemerkbar machten, dürfte eine neue Dynamik entstehen. Die Nachfrage der öffentlichen Hand dürfte steigen, wenn die im Koalitionsvertrag vereinbarten Schritte zu langfristigen Investitionen in Aufbau und Erhaltung der Infrastruktur umgesetzt werden und Mittel aus dem Zukunftspaket vermehrt abfließen.
Nach einem Rückgang im vergangenen Jahr prognostizieren die StudienautorInnen, zu denen auch Claus Michelsen, früherer DIW-Konjunkturchef und jetziger Geschäftsführer Wirtschaftspolitik beim Verband der forschenden Arzneimittelhersteller gehört, im Jahr 2022 ein reales Plus von 1,3 Prozent, nominal sind es rund zehn Prozent.
Die ÖkonomInnen geben aber zu bedenken, dass die Ausweitung von Investitionsbudgets der öffentlichen Hand angesichts der hohen Baupreise nicht vollends die gewünschte Wirkung entfaltet, so dass die reale Bautätigkeit wohl geringer ausfällt als ursprünglich geplant. „So könnten ambitionierte politische Ziele zur Wohnungsversorgung und zum Infrastrukturausbau verfehlt werden“, erklärt Gornig.
Nun sei es wichtig, dass die Ampel-Koalition ihre Pläne wie etwa den Neubau von 400.000 Wohnungen jährlich und Investitionen in Infrastruktur und energetische Sanierung rasch angehe, befinden die StudienautorInnen. Dazu bedürfte es aber mehr als nur vage Ausbauziele und kurzfristige verfügbare Mittel. Vielmehr sind mittel- und langfristige öffentliche Investitionen in haushaltsübergreifende Fonds wie etwa den geplanten Energie- und Klimafonds essentiell. Auch die bereits vereinbarten Ausgabensteigerungen für den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur und für die Bahn sowie die geplanten eigenen Investitionen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) im Wohnungsbau dürften einen wichtigen Beitrag leisten.
Von öffentlicher Seite klar kommunizierte Ausbauziele würden Bauunternehmen eine Perspektive geben, Kapazitäten auszubauen, Mitarbeiter zu schulen und in die Digitalisierung von Prozessen zu investieren. Das gleiche gilt für die durch personelle Engpässe strapazierte öffentliche Verwaltung. Hier könnte etwa eine kommunenübergreifende Bereitstellung von Planungskapazitäten Entlastung schaffen wie sie bereits jetzt durch die Gesellschaft Partnerschaft Deutschland geschieht. Keinen unmittelbaren Einfluss hat die Politik indes auf die Entwicklung der Material- und Energiepreise.
Weitere Informationen
Studie im DIW Wochenbericht 1+2/2022
Materialmangel bleibt auch 2022 Hauptproblem der Bauwirtschaft - Interview mit Laura Pagenhardt
Quelle und Grafik: DIW Berlin
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