24.07.2025 - München / Deggendorf
Vesela Krasteva-Stoltmann ist Bauingenieurin - auch oder vielleicht gerade wegen eines Bekannten, der ihr einst sagte, Bauingenieurwesen sei wahrscheinlich ein zu schweres Studium für sie. Sie ließ sich nicht abschrecken, sondern nahm die Herausforderung an. 2012 schloss sie erfolgreich ihr Studium an der Universität Sofia (Bulgarien) ab und arbeitet nach Stationen bei der Lindner Group und GiB inzwischen für die concepting GmbH in Landshut. In unserer Interviewserie mit Frauen im Ingenieurwesen haben wir mit Vesela Krasteva-Stoltmann gesprochen.
Frau Krasteva-Stoltmann, Sie saßen Anfang Juli als eine von drei Ingenieurinnen auf dem Podium unserer Veranstaltung „Bauingenieurin: Gestern, heute, morgen“ in Deggendorf. Vielen Dank dafür! Das Veranstaltungsformat haben wir 2022 aus der Taufe gehoben und gehen damit aktuell auf Tour durch Bayerns Regionen. Unser Ziel ist es, Bauingenieurinnen unterschiedlicher Generationen aus ihrem Leben erzählen zu lassen. Wie haben Sie unsere Veranstaltung an der TH Deggendorf erlebt?
Ich möchte Danke sagen, es war mir eine Ehre, mich mit solch bewundernswerten Frauen bzw. Ingenieurinnen austauschen zu dürfen. Ich finde die Veranstaltung hat ihr Ziel erfüllt – das Gespräch war offen, ehrlich und authentisch und dadurch entsprechend motivierend. Man hat den Fokus auf Themen gelegt, über welche in größeren Runden diskutiert werden sollte, damit man zu Lösungen kommt.
Es waren einige junge Studentinnen da, aber auch erfahrene Kolleginnen. Wie war der Austausch zwischen den Generationen vor Ort?
Die Atmosphäre war sehr vertraulich und positiv und entsprechend konnte man eine konstruktive Diskussion führen, auch wenn manchmal die unterschiedlichen Generationen unterschiedliche Sichtweisen vertreten. Das kann nur bereichernd sein.
Wann und warum haben Sie persönlich sich entschieden, Bauingenieurin zu werden?
Ich muss gestehen – das war keine langjährige Leidenschaft oder ein Kindheitstraum von mir. Da ich gut in Mathe war, stellte ich mich am Ende der Wahl zwischen einem Studiengang im Bereich Finanzen und Bauingenieurwesen. Ein Bekannter hat zu mir gesagt, Bauingenieurwesen sei wohl zu kompliziert für mich und ich würde es nicht schaffen. Das hat es wohl entschieden – eine gute Herausforderung lass ich mir nicht entgehen 😊. Diese Art von Ehrgeiz kann in der Baubranche von Vorteil sein.
Was hat Sie von der bulgarischen Hauptstadt ins ländliche Niederbayern verschlagen?
Ich wollte in keiner Großstadt wohnen und da ich für eine deutsche Firma gearbeitet und ausschließlich deutsche Projekte bearbeitet habe, hat es sich so ergeben. Ich bereue es kein bisschen 😊.
Als Frau mit Migrationshintergrund in einer Männerdomäne zu arbeiten – welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Ich habe keine negativen Erfahrungen gemacht, was die Kombination ‚Frau und Migrationshintergrund‘ angeht. Es gibt frauenfeindliche Männer, welche Frauen gegenüber unabhängig ihrer Herkunft feindlich bleiben und Menschen, die unabhängig vom Geschlecht Probleme mit ‚Migrationshintergrund‘ haben. Ich habe allerdings Glück gehabt und bei beiden Punkten keine besonders schlechten persönlichen Erfahrungen gemacht.
Denken Sie, als Frau muss man sich im Job ganz besonders beweisen? Oder anders?
Ich habe mal das Ergebnis einer Studie gelesen und muss seitdem oft daran denken – Männer überschätzen ihre tatsächliche Leistung im Durchschnitt um 30%, während Frauen ihre Leistung um 15% unterschätzen. Das ergibt einen Gap von 45%. Und in einer Branche, die von Männern dominiert wird, hat das noch mehr zur Folge, dass Frauen sich oft weniger trauen und sich viel mehr bemühen müssen, um als kompetent zu gelten. Sie müssen noch mehr an sich und ihre eigenen Fähigkeiten glauben.
Vor allem für junge Frauen kann der Einstieg herausfordernd sein, da es nicht selbstverständlich ist, dass man sofort ernst genommen wird, aber es ist selten der Fall, dass eine Frau trotz ihrer Kompetenz nicht respektiert wird. Für gute Leistung gibt es kein Geschlecht.
Stichwort Role Models: Wie wichtig ist es Ihrer Meinung nach, dass Frauen in der Baubranche sichtbar sind und Führungspositionen bekleiden?
Frauen in Führungspositionen strahlen auf andere Frauen aus, dass das Kombinieren von Familie und Karriere möglich ist. Wir als Gesellschaft können und wollen nicht auf Kinder verzichten und die Frauen sollten dabei unterstützt werden, wieder ins Berufsleben zu finden und sich weiterzuentwickeln. Dies ist möglich, wenn alle entlang der Kette mitmachen – vom Familienkreis, über Auftraggeber, bis zum Sozialsystem. Besonders in der Baubranche (die Zeiten sind nicht die einfachsten), braucht es Veränderung.
Frauen besitzen oft eine unterschiedliche Herangehensweise und können Stereotype im Bau brechen. Man steckt als Frau mehr Emotion und Leidenschaft in die Arbeit und das kann motivierend auf die restlichen Beteiligten wirken. Das bewegt die Leute dazu, stärker miteinander arbeiten zu wollen, um so Gutes zu schaffen.
Sie haben einen kleinen Sohn. Wie hat sich seit seiner Geburt Ihr Leben verändert? Hat sich im Job etwas verändert?
Da ich kurz nach der Elternzeit meinen Job und ziemlich drastisch die Tätigkeit gewechselt habe, kann ich keine direkte Parallele ziehen. Man muss eine Balance finden. Es ist nicht einfach, aber ich bin froh, die volle Unterstützung meines Mannes zu haben, so dass ich meine Arbeit priorisieren kann, wenn ich das möchte. Auf der anderen Seite habe ich aber auch flexible Arbeitszeiten und das Vertrauen meiner Chefs, sodass ich mir bei Bedarf den Arbeitstag etwas unkonventionell stricken kann, um alles unter einen Hut zu bekommen.
Wenn Frauen Elternzeit nehmen, sind die Arbeitgeber meist wenig überrascht. Kennen Sie Fälle, in denen auch die Väter Elternzeit genommen haben – und zwar längere Zeit, nicht nur zwei Monate parallel mit der Frau, um Urlaub zu machen, wie es mal Mode war?
Ich kenne einen solchen Fall, das war aber vor mehreren Jahren und es wurde vom direkten Vorgesetzen damals nicht so gern gesehen. Es ist aber mittlerweile öfters der Fall, dass Väter auch Teilzeit arbeiten. Mein Eindruck ist, dass die Unternehmen immer flexibler werden und in dieser Hinsicht nicht mehr so konservativ sind.
Finden Sie Frauennetzwerke sinnvoll?
Ich hatte mir bisher diesbezüglich keine Gedanken gemacht, aber nachdem ich beim Forum die Erfahrung gemacht habe, wie nützlich und schön der Austausch so vielfältiger Fraueneinsichten ist, würde ich sagen: ja! 😊.
Sie sind bislang Listeneingetragene in der Kammer, aber nicht Mitglied. Was müsste die Kammer an ihren Angeboten ändern oder ergänzen, um Sie als Mitglied gewinnen zu können?
Um ehrlich zu sein, war ich bisher an einer Mitgliedschaft nicht interessiert, aber beim Forum haben Sie mich für Ihre Tätigkeit begeistern können und seitdem verfolge ich Ihren Content auf LinkedIn enger und werde mir die Angebote definitiv noch genauer anschauen.
Frau Krasteva-Stoltmann, wir danken Ihnen für das Gespräch und Ihr Mitwirken bei unserer Regionalveranstaltung!
Fotos: Privat
Merken Sie sich gleich den Termin für unserer Regionalforum Schwaben zum Thema „Bauingenieurin: Gestern, heute, morgen“ am Dienstag, den 28.10.2025 ab 17:30 Uhr in Kempten vor. Diesmal mit auf dem Podium: Rebecca Probst, erweiterte Geschäftsleitung bei der Konstruktionsgruppe Bauen AG und weitere Bauingenieurinnen. Moderiert wird die Veranstaltung wieder von Stephanie Sierig, der Vorsitzenden des Ausschusses „Leben Arbeit Karriere“ bei der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. Anmeldung in Kürze!
Mehr Pippi Langstrumpf wagen – mit diesem Appell sprach sich Anneliese Hagl Mitte Februar beim Regionalforum "Bauingenieurin – gestern, heute, morgen" in Nürnberg für mehr Frauen in der Baubranche und in Führungspositionen aus. Zum Auftakt unserer Interviewserie mit Frauen im Ingenieurwesen haben wir mit der Glasbauexpertin gesprochen.
Die Baubranche befindet sich im Wandel, auch hinsichtlich der Struktur der am Bau Beteiligten. War die Baubranche bis vor ein paar Jahrzehnten vor allem eine Männerdomäne, ergreifen heute immer mehr Frauen ein Ingenieurstudium und streben nach verantwortungsvollen Positionen oder eröffnen ein eigenes Büro. Der Ausschuss „Leben | Arbeit | Karriere“ hatte am 13.02.2025 unter dem Motto "Bauingenieurin: Gestern, heute, morgen“ zum Austausch unter Kolleginnen und Kollegen aller Disziplinen zum Regionalforum nach Nürnberg eingeladen. Lesen Sie hier unseren kurzen Rückblick und sehen sich die Fotos an!
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