Mitreden. Mitgestalten.

Profitieren Sie von den Vorteilen der Mitgliedschaft!

 
 
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
Mitreden. Mitgestalten.
Mitreden. Mitgestalten.

Profitieren Sie von den Vorteilen der Mitgliedschaft!

19
20
21

Interview mit Baudirektor Dr.-Ing. Johann Eicher vom Bayerischen Bauministerium zur Umsetzung der Ersatzbaustoffverordnung

"Wir müssen jetzt einfach loslegen"

03.07.2025 - München

Interview mit Baudirektor Dr.-Ing. Johann Eicher vom Bayerischen Bauministerium zur Umsetzung der Ersatzbaustoffverordnung

Vor dem Hintergrund des Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutzes steht auch die Bauwirtschaft zunehmend in der Verantwortung, nachhaltiger zu agieren und konsequent in Stoffkreisläufen zu denken. Eine funktionierende Kreislaufwirtschaft im Bauwesen ist dabei ein zentraler Hebel - insbesondere im Umgang mit mineralischen Bauabfällen. "Wir müssen jetzt einfach loslegen", sagt Baudirektor Dr.-Ing. Johann Eicher vom Bayerischen Bauministerium im Interview mit bvse-Geschäftsführer Stefan Schmidmeyer.

Mit der zum 1. August 2023 in Kraft getretenen Ersatzbaustoffverordnung (EBV) liegt erstmals eine bundeseinheitliche Regelung vor, die den Einsatz mineralischer Ersatzbaustoffe klar regelt – sowohl in Bezug auf Qualitätssicherung als auch auf deren zulässige Verwendung. Als öffentlicher Auftraggeber ist das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr sowohl im Hochbau als auch im Straßen- und Tiefbau in besonderer Vorbildfunktion gefragt.

Stefan Schmidmeyer, Geschäftsführer beim bvse-Fachverband Mineralik - Recycling und Verwertung, hat mit Baudirektor Dr.-Ing. Johann Eicher vom Referat Technische Strategien, Ausstattung und Verkehrssicherheit im Straßenbau beim Bayerischen Bauministerium darüber gesprochen, welche Auswirkungen die Verordnung auf die Praxis hat, welche Veränderungen er in der Bauverwaltung beobachten und wo er weiteren Handlungsbedarf sieht.

Interview mit Baudirektor Dr.-Ing. Johann Eicher


In welchem Umfang hat Ihr Ministerium bereits vor Inkrafttreten der Ersatzbaustoffverordnung mineralische Ersatzbaustoffe in Bauprojekten eingesetzt? Welche Materialien kamen dabei konkret zum Einsatz?

Ich darf vorab kurz die Abfallhierarchie des Kreislaufwirtschaftsgesetzes skizzieren, um aufzuzeigen, dass der Idealfall die Vermeidung von Abfall ist. Dort wo Vermeidung nicht klappt, geht’s an die Verwertung, also im günstigsten Fall die stoffgleiche Wiederverwendung auf derselben Baustelle oder eben einer anderen, vielleicht auch von dritten Bauherren. Wenn wir allerdings die Stoffe in einer anderen Art einsetzen, dann sind wir beim Recycling, was immer noch eine gute Art der Verwertung darstellt. 

Nur wenn auch das nicht möglich ist, kann die sonstige Verwertung, wie beispielsweise die Verfüllung in alten Gruben, Steinbrüchen oder Tagebauen, hilfreich sein, da diese Abbaustellen meist auch wieder befüllt werden müssen. Die Beseitigung auf einer Deponie ist also die unterste Stufe und somit tunlichst zu vermeiden.

Schon in den Jahren vor der Ersatzbaustoffverordnung haben wir in Bayern Projektplanungen immer auch in Hinblick auf Abfallvermeidung bearbeitet. Dies nicht zuletzt auch um Kosten und Massentransporte zu reduzieren. Aber in Abwägung verschiedenster Projektanforderungen müssen eben auch verschiedene Baustoffe und Überschussmassen verwertet werden. Ohne über konkrete Zahlen zu verfügen kann durchaus bestätigt werden, dass auch früher schon immer versucht wurde, die anfallenden Baustoffe, sei es Abbruchbeton oder Erdreich, wieder sinnvoll im Baubereich einzusetzen. 

Wir haben sehr engagierte und kreative Kolleginnen und Kollegen an den Bauämtern. Das ist eine wichtige Voraussetzung. Ich denke da an den ein oder anderen Sicht- oder Lärmschutzwall, der so entstanden ist, oder an Frostschutzschichten aus unmittelbar vor Ort rückgebauten Brücken oder Entwässerungseinrichtungen. 

Bis dato wurde auch häufig von der Verfüllung nach Bayerischem Verfüllleitfaden Gebrauch gemacht. Eine Möglichkeit der Verwertung, wenngleich aus Sicht der Abfallhierarchie nicht die beste. Um die Verwertung ordnungsgemäß, das heißt umweltfachlich und bautechnisch gut anzugehen, musste allerdings immer das passende Regelwerk aus der Fülle von Leitfäden, Handlungsempfehlungen und Arbeitshilfen gefunden werden. Das war nicht ganz einfach und hat in manchen Fällen sicherlich auch eine optimale Kreislaufwirtschaft behindert. 

Hat sich in den letzten zwei Jahren seit dem Inkrafttreten der Ersatzbaustoffverordnung da irgendetwas geändert? Setzen Sie jetzt mehr Ersatzbaustoffe ein oder weniger?

Ja, es hat sich viel geändert. Es findet gerade ein Umdenken statt. Wir, damit meine ich die gesamte Baubranche, haben erstmals verbindliche und bundeseinheitliche Regelungen. Diese sind zwar seit Inkrafttreten von vielen Seiten in der Kritik, klar es ist ein Kompromiss in einer enorm komplexen Gemengelage, aber es ist das beste Regelwerk, das wir haben. 

Die öffentliche Hand hat ja den gesetzlichen Auftrag, Kreislaufwirtschaft vorbildhaft zu betreiben und das können wir jetzt mit diesem Regelwerk auch, weshalb zu erwarten ist, dass auf jeden Fall mehr Ersatzbaustoffe eingesetzt werden. Auch von Seiten des Ministeriums arbeiten wir bereits intensiv daran, die Baustoffbewirtschaftung zu verändern. 

Was sind die Gründe für diese Veränderungen? 

Die Veränderung besteht ja im weiteren Umdenken und dem noch nachhaltigeren Handeln, idealerweise mit Beendigung einer linearen und der weiteren Verbesserung der zirkulären Baustoffbewirtschaftung. Daher haben wir in einer kleinen Arbeitsgruppe das für den Straßenbau Wesentliche in einem Set aus Vergabetexten, Leistungspositionen und Musterverträgen für die Kolleginnen und Kollegen der Staatlichen Bauämter in Bayern zusammengefasst. In acht Schulungen in den letzten Monaten haben wir den neuen Spirit „In Stoffkreisläufen denken-planen-bauen“ und die Musterunterlagen an über 600 Planende und Ausschreibende ausgerollt. Die gesetzlichen und vertraglichen Grundlagen liegen also vor. 

Im Rahmen der laufenden Evaluierung der Ersatzbaustoffverordnung wurden bei Planspieltagen erste Praxiserfahrungen diskutiert. Welche Änderungen an der Verordnung halten Sie aus Sicht eines öffentlichen Auftraggebers für besonders notwendig – idealerweise noch im Jahr 2025? 

Sicherlich sollen offensichtliche Mängel ausgeräumt werden, aber ich bin mir nicht sicher, ob nicht oft auch nur das Haar in der Suppe gefunden werden muss. Ich kann nicht nachvollziehen, wenn Verbände die Ersatzbaustoffverordnung in Gänze ablehnen. Da fallen wir auf den früheren, undurchschaubaren Regelungsstand zurück. Sollen die 17 Jahre Arbeit an der Verordnung wirklich umsonst gewesen sein? 

Ich vertrete die Meinung, dass man mit der aktuellen Verordnung - glücklicherweise haben wir Ermessensspielräume in der Ersatzbaustoffverordnung in Bayern hervorragend mit der Umweltverwaltung ausfüllen können - gut leben kann. Wir müssen jetzt damit loslegen und arbeiten. Dann können wir in einigen Jahren immer noch nachschärfen, sofern dann noch Bedarf besteht. Dazu müssen wir aber erst einmal praktische Erfahrungen sammeln. Heute sehe ich das als etwas zu verfrüht. Ich sehe auch keinen Punkt, der in Bayern nicht bereits in den FAQ des Landesamts für Umwelt gelöst wäre und daher unabdingbar einer Neuregelung bedarf. Manchmal hilft ja auch der gesunde Menschenverstand oder ein Gespräch mit den Fachstellen. 

Welche flankierenden Maßnahmen wären in anderen Bereichen – etwa im Vergaberecht, im Vollzug oder in der Förderpraxis – erforderlich, um die Kreislaufwirtschaft im Bauwesen nachhaltig zu stärken? 

Im August 2024 haben wir für Staatsstraßenprojekte die Richtlinien 2270 „Zuschlagskriterien Nachhaltigkeit“ eingeführt. Damit steht heute bereits ein gutes System zur Verfügung, das insbesondere auch die Kreislaufwirtschaft proaktiv fördern kann. Es wäre gut, wenn ein solch einfaches und unbürokratisches, aber dennoch rechtssicheres System auch bundesweit Gefallen finden würde. Wir dürfen doch das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und glauben, dass nur über neue Vergabemodelle mittels Schattenpreise und komplexe Umweltproduktdeklarationen (EPD) Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft erreicht werden können. Manchmal ist weniger eben mehr. 

Die Bauverwaltung ist natürlich immer auf die gute Zusammenarbeit mit den Vertragspartnern angewiesen, auf fairen und ehrlichen Umgang miteinander. Je mehr Zusammenarbeit, desto weniger Bürokratie brauchen wir am Ende. Und es würde auch die Bauverwaltung nicht verunsichern, wenn die Baubranche gelegentlich auch die Anwendung dieser neuen Zuschlagskriterien Nachhaltigkeit in Bayern offen einfordern würde. Sekundärbaustoffe sollen dort eingesetzt werden, wo sie anfallen. Das ermöglicht dieses Vergabemodell. Dagegen sehe ich eine konkrete anteilsmäßige Forderung oder eine finanzielle Förderung als nicht zielführend an, bergen beide doch die Gefahr, dass unnötige Massentransporte ausgelöst werden. Es entspricht auch nicht unserer Erfahrung, dass die Verwendung von Sekundärbaustoffen teurer oder gar unwirtschaftlich seien. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. 

Welche konkreten Schritte hat das Bayerische Bauministerium bislang unternommen – oder plant sie künftig –, um die Recycling- und Substitutionsquote beim Einsatz mineralischer Ersatzbaustoffe zu erhöhen? 

Neben den vorgenannten neuen Unterlagen und den Richtlinien 2270 haben wir bereits kurz nach Inkrafttreten der Mantelverordnung an jedem Bauamt eine Fachkraft für Geotechnik und Kreislaufwirtschaft im Straßenbau etabliert, die jeweils lokal, aber auch in einem bayerischen Netzwerk bestens integriert ist, bei Bedarf berät, Informationen bündelt und so die bestmögliche Umsetzung der Kreislaufwirtschaft begleitet. Das ist die Grundlage für einen fachlichen Austausch. Denn im Gespräch kommen bekanntlich die Menschen zusammen. 

Das trifft auch auf einen weiteren wichtigen Baustein zu, der ganz entscheidend ist für ein funktionierendes Kreislaufwirtschaftssystem bei den Baustoffen. Im Gespräch mit einem Recyclingbetrieb wurde erwähnt, dass die Genehmigung von Neubauten oder Erweiterungen von Lager-, Sammel-, Aufbereitungsbetrieben nur schwer durchsetzbar ist, da im Rahmen des Baugesetzbuches (BauGB) eine Rechtsprechung solche Anlagen im Außenbereich behindern würde. Auch dabei konnte das Bauministerium durch ein klarstellendes Schreiben an die Genehmigungsbehörden den Weg bereiten. Es sind also auch hier die Kommunen und Genehmigungsbehörden den Bedürfnissen der Kreislaufwirtschaft verpflichtet. Auch hier war und ist Umdenken nötig. 

Was erwarten Sie von der Recyclingwirtschaft, damit ihre Maßnahmen erfolgreich sein können? 

Vielleicht müsste man noch mehr den Bürger und den privaten Bauherren überzeugen und für mehr Akzeptanz gegenüber Aufbereitungsbetrieben werben, aber auch noch mehr auf die uneingeschränkte Güte der Sekundärbaustoffe hinweisen. Aber am meisten wünsche ich mir Geduld bei allen Beteiligten. 

Sehr geehrter Herr Dr. Eicher, vielen Dank für das Gespräch. 

Das Interview führte bvse-Geschäftsführer Stefan Schmidmeyer.

Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau bedankt sich beim bvse-Fachverband Mineralik - Recycling und Verwertung für die Genehmigung, das Interview zu veröffentlichen. Der Originalbeitrag wurde hier auf der Seite des bvse veröffentlicht.

Quelle und Foto: bvse-Fachverband Mineralik - Recycling und Verwertung

Beitrag weiterempfehlen

Die Social Media Buttons oben sind datenschutzkonform und übermitteln beim Aufruf der Seite noch keine Daten an den jeweiligen Plattform-Betreiber. Dies geschieht erst beim Klick auf einen Social Media Button (Datenschutz).

5 gute Gründe für die Mitgliedschaft

Die Kammer auf Social Media

Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau bei LinkedIn: #bayika-bau
Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau auf Instagram #bayikabau
 
Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau bei Facebook @BayIkaBau   #BayIkaBau
Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau bei XING #bayerischeingenieurekammer-bau
 
Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau bei YouTube
 

Jetzt Newsletter abonnieren!

Newsletter abonnieren und immer auf dem Laufenden bleiben - Grafik: Web Buttons Inc /  Fotolia

Frage des Monats

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz ist in meinem Büro:
Bereits gelebte Praxis
Für die kommenden 12 Monate geplant
Für mich kein Thema

Frühere Ergebnisse

Sustainable Bavaria

Sustainable Bavaria

Nachhaltig Planen und Bauen

Klimaschutz - Nachhaltig Planen und Bauen

Digitaltouren - Digitalforen

Digitaltouren - Digitalforen - Jetzt kostenfei ansehen

Netzwerk junge Ingenieur:innen

Netzwerk junge Ingenieur:innen

Werde Ingenieur/in!

www.zukunft-ingenieur.de

www.zukunft-ingenieur.de

Veranstaltungstipps

Veranstaltungstipps

Beratung und Service

Beratung und Serviceleistungen - Foto: © denisismagilov / fotolia.com

Planer- und Ingenieursuche

Planer- und Ingenieursuche - Die Experten-Datenbank im bayerischen Bauwesen

Für Schüler und Studierende

Infos für Schüler und Studierende - © Foto: Drubig Photo / Fotolia.com

Einheitlicher Ansprechpartner

Einheitlicher Ansprechpartner

Berufsanerkennung
Professional recognition

Berufsanerkennung

Gebäudeforum klimaneutral

Partner des Netzwerks „Gebäudeforum klimaneutral“

Meine Bayika - Bayika-Portal

Anschrift

Bayerische Ingenieurekammer-Bau
Körperschaft des öffentlichen Rechts
Schloßschmidstraße 3
80639 München