14.05.2025 - Bonn / Dresden
In Deutschland werden jährlich immer weniger Gebäude abgerissen. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse des Forschungsprojekts „Long-Lasting Real Estate (LoLaRE): Anforderungen zukunftsfähiger Gebäude mit langen Lebensdauern“, das vom Institut für Baubetriebswesen unter Leitung von Prof. Jens Otto an der Technischen Universität Dresden durchgeführt und vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) im Rahmen des Innovationsprogramms Zukunft Bau gefördert wurde. Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau fordert seit langem: Sanieren vor Neubau!
Der nun veröffentlichte Ergebnisbericht analysiert erstmals statistische Datensätze zu Bauabgängen von Hochbauten in Deutschland in einem Zeitraum von 2007 bis 2021 und untersucht die Gründe für einen Abriss von Gebäuden.
Laut der Studie sind die Abrisszahlen seit 2007 gesunken, besonders deutlich seit 2018. Die Zahl der Abrisse von Wohngebäuden nahm zwischen 2007 und 2021 um 36 Prozent ab. Bei Nichtwohngebäuden betrug der Rückgang 19 Prozent. Diese Entwicklung ist aus Sicht der Ressourcenschonung und des Klimaschutzes positiv zu bewerten. Im Durchschnitt wurden zwischen 2007 und 2021 jährlich knapp 12.000 Gebäude abgebrochen, wobei Einfamilienhäuser den größten Anteil ausmachen.
Der größte Teil der abgerissenen Wohngebäude wurde zwischen 1949 und 1978 errichtet. Dennoch waren 17 Prozent der abgerissenen Wohngebäude weniger als 43 Jahre alt. Hauptgründe für Abrisse sind die Schaffung neuer Wohngebäude sowie die Umwandlung von Flächen in Freiraum.
Zusätzlich zur statistischen Analyse wurden Expertenbefragungen durchgeführt, um die Entscheidungsprozesse für oder gegen den Abriss zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigen, dass Faktoren wie Denkmalschutz und Bestandsschutz den Erhalt von Gebäuden begünstigen, während bauordnungsrechtliche Vorgaben und wirtschaftliche Erwägungen oft zum Abriss führen. Hohe Sanierungskosten, insbesondere im Zusammenhang mit strengen Brandschutzvorgaben, oder geringe strukturelle Reservekapazitäten der Bausubstanz spielen dabei eine wesentliche Rolle.
„Ein entscheidender Aspekt für die Langlebigkeit von Gebäuden ist ihre Anpassungsfähigkeit an neue Anforderungen“, sagt Charlotte Dorn, die an der TU-Dresden das Projekt betreute. „Hierbei sind Parameter wie Geschosshöhen, vertikale Erschließung, tragende Strukturen und Lastreserven von Bedeutung. Die Studie legt nahe, dass diese Faktoren bereits in der Planungsphase neuer Gebäude berücksichtigt werden sollten, um langfristige Nutzungsoptionen zu sichern und die Nachhaltigkeit zu fördern“, so Dorn.
Die Untersuchung ergab, dass die Entscheidung für oder gegen den Abriss eine komplexe Abwägung zwischen rechtlichen, wirtschaftlichen, technischen und kulturellen Aspekten erfordert. Eine quantitative Bewertung im Rahmen der Studie untersuchte zudem das Verhältnis von Nutzungsflexibilität, Ökobilanz und Lebenszykluskosten anhand eines Praxisbeispiels.
„Die Ergebnisse des Forschungsprojekts liefern wertvolle Erkenntnisse zur Reduzierung von Gebäudeabbrüchen und zur Planung langlebiger, anpassungsfähiger Gebäude. Sie unterstreichen die Bedeutung nutzungsflexibler Strukturen für eine nachhaltige Stadt- und Bauplanung“, betont Daniel Wöffen, der am Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) die Studie begleitet hat.
Das BBSR setzt das Innovationsprogramm Zukunft Bau im
Auftrag des BMWSB um. Der vollständige Ergebnisbericht ist hier abrufbar:
https://doi.org/10.25368/2024.322
Eine kompakte Zusammenfassung bietet der durch das BBSR
veröffentlichte Transferbericht:
https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/veroeffentlichungen/forschung-kompakt/2025/fk-01-2025.html
Studie "Gebäudeabbrüche in Deutschland" - BBSR-Transferbericht (PDF)
Der Gebäudesektor hat in den vergangenen Jahren mehrfach seine Klimaziele verfehlt. Um hier endlich Fortschritte zu machen, ist das Bauen im Bestand ein entscheidender Hebel. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass das langjährige Hinwirken der Kammer auf den Bestandserhalt Wirkung zeigt.
Prof. Dr. Norbert Gebbeken, der Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, sagt: „Das Prinzip 'Sanieren vor Neubau‘ muss zur Selbstverständlichkeit werden. Der Abriss von Gebäuden sollte mittelfristig genehmigungspflichtig werden. Eine Abrissgenehmigung sollte nur erteilt werden, wenn eine Weiterverwendung des Bauwerks bzw. seiner Teile unter Erhaltung der grauen Energie technisch und/oder wirtschaftlich nicht möglich oder unzumutbar ist. Die Öko-Bilanz des Bauens kann und muss verbessert werden. Klimafreundliches Bauen darf nicht länger teurer als konventionelles Bauen sein."
Er plädiert dafür, die Lebenszykluskosten stets zur Entscheidungsgrundlage für oder gegen den Bau eines Gebäudes zu machen. Bei der Lebenszyklusbetrachtung wird die Energiebilanz über die komplette Nutzungs-dauer des Gebäudes betrachtet – von der Herstellung der Baumaterialien und deren Transport über die Nutzung und Sanierung bis hin zum Rückbau und der Entsorgung. „Nur die Lebenszykluskosten sind ehrliche Kosten!“, so Prof. Dr. Gebbeken.
Das Bündnis ‚Sustainable Bavaria‘, das die Bayerische Ingenieurekammer-Bau ins Leben gerufen hat, sieht Recycling und eine lebenszyklusbasierte Nutzung aller Baustoffe und Bauten als zwingende Voraussetzung für die Erreichung der gesetzlichen Klimaziele an. Dazu brauchen staatliche und kommunale Bauten Energiekonzepte, Material- und Bauteilkarten, Entsorgungs-, Recycling- und Weiternutzungskonzepte sowie Folgekostenberechnungen im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Für öffentliche Bauprojekte sollten Quoten zum Einsatz von Recyclingbaustoffen eingeführt werden. Diese Sekundärbaustoffe sowie Bauteile, die aus anderen Gebäuden rückgebaut wurden, sollten an bayernweiten Materialbörsen gehandelt werden, schlägt die Bayerische Ingenieurekammer-Bau vor.
Quellen: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR); Technische Universität Dresden, Bayerische Ingenieurekammer-Bau, Fotos: Charlotte Dorn / Technische Universität Dresden, BBSR, Tobias Hase
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