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Europa wählt: Die Positionen der Bundesingenieurkammer

Standpunkten und Forderungen zur Europawahl am 9. Juni 2024

30.04.2024 - Berlin / Brüssel

Europa wählt: Die Positionen der Bundesingenieurkammer

Nach wie vor steht Europa vor großen Herausforderungen: Klimawandel, Energiewende, Digitalisierung, Migration und Demographie - um nur einige zu nennen. Impulsgeber für Lösungen muss hier die Europäische Union sein. In Deutschland findet die Europawahl am Sonntag, den 9. Juni 2024 statt. Die Bundesingenieurkammer hat jetzt ein Positionspapier mit ihren Standpunkten und Forderungen veröffentlicht.

Die planenden Berufe sind ein bedeutender Wirtschaftsfaktor – und Planerinnen und Planer leisten einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung der anstehenden Herausforderungen. Zu den Charakteristika der planenden Berufe in Deutschland zählt die klare Qualitätsorientierung in einem austarierten Gesamtsystem, in dem Selbstverwaltung und Fachlichkeit zur Sicherung der Qualität essentiell sind.

Eine hohe Planungsqualität bedarf jedoch adäquater Rahmenbedingungen. Für die Ingenieurinnen und Ingenieure sind daher die Bereiche Binnenmarkt und Wirtschafts- und Energiepolitik von besonderer Bedeutung.

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Positionspapier

Die Positionen der Bundesingenieurkammer

1. Gute Planung braucht gute Rahmenbedingungen

Ingenieurinnen und Ingenieure im Bauwesen tragen eine hohe gesellschaftliche Verantwortung. Sie übernehmen die Gewähr für die Sicherheit von Bürgerinnen und Bürgern sowie bedeutender Sachwerte. Da ihre Dienstleistung eine hohe Qualität verlangt und dem Verbraucherschutz dient, sind Regelungen zur Berufsausübung zwingend notwendig.

Das in Deutschland bewährte Kammersystem garantiert, dass alle zugelassenen Planer über ein hohes Ausbildungs- und Qualifikationsniveau verfügen. Die Berufsaufsicht und das verpflichtende System der beruflichen Fort- und Weiterbildung stellen die Qualität der Planungsleistungen sicher. Gleichzeitig entlastet die berufsständische Selbstverwaltung den Staat in erheblicher Weise.
Die Grundannahme der Europäischen Kommission, dies sei wettbewerbsschädlich und verhindere Innovation, trifft nicht zu! Vielmehr ist die berufliche Selbstverwaltung Garant für qualitativ hochwertige Planungsleistungen und muss strukturell und nachhaltig im Bereich der am Bauwesen Beteiligten gestärkt werden.

Wir bekennen uns zum Europäischen Binnenmarkt und setzen uns klar für die berufsständische Selbstverwaltung in den Freien Berufen sowie für bewährte Regelungen des Berufszugangs ein. Indikatoren zur Messung und Bewertung von Regulierung müssen transparent und sachgerecht ausgestaltet sein. Wir begrüßen es, Vergleichbarkeit und Transparenz unter Aufrechterhaltung der nationalen Vielfalt zu fördern.

2. Kleine und mittlere Strukturen fördern

Über 85 Prozent der Planungsbüros in Deutschland sind Mittel-, Klein- und Kleinstunternehmen. Sie bilden den Kern des deutschen Planungsmarktes und stehen für dessen Vielfalt. Gleichzeitig bilden sie die Grundlage für Stabilität und Resilienz. Um den Marktzugang zu fördern, begrüßen wir die gezielte Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU).

Wir treten zudem für Entbürokratisierung und die Vereinfachung von Verfahren bei der Fördermittelbeantragung ein. Weiterhin setzen wir uns für den diskriminierungsfreien Zugang von KMU zu öffentlichen Vergabeverfahren ein. Bei der Vergabe von Planungsleistungen muss die Qualität und nicht der Preis im Vordergrund stehen.

Bei EU-weiten Ausschreibungen treten wir für die Anhebung der aktuellen Schwellenwerte sowie für eine klein- und mittelstandsgerechte Aufteilung von Leistungen in Lose ein. Aus Gründen der Qualitätssicherung und im Sinne einer neutralen Beratung der Auftraggeber sprechen wir uns klar für die Trennung von Planung und Ausführung aus.

Hohe bürokratische Anforderungen treffen vor allem die kleinen und mittleren Strukturen. Hier muss aus Europa im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit entschieden gegengesteuert werden.

3. Normung praxisgerecht ausgestalten

Normung betrifft die planenden Berufe in ihren Kernaufgaben. Die Zahl neuer Normen hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Dabei handelt es sich zu einem Großteil um europäische bzw. internationale Normprojekte. Das hohe Maß an Spezialisierung von Normen führt zu immer mehr bürokratischem Aufwand.

Die Europäische Kommission nutzt die Normung verstärkt zudem zur Umsetzung von Politikzielen. Die Vergabe direkter Normungsmandate an die europäischen Normungseinrichtungen sollte jedoch nur erfolgen, wenn eine einheitliche technische Untersetzung europäischer Rechtsetzung zwingend notwendig ist. Sie darf in keiner Weise Gesetzgebungsverfahren und Teilhabe ersetzen. Wir fordern transparente, öffentliche Verfahren und eine größere parlamentarische Beteiligung zur Mandatserteilung bei der europäischen Normung.

Um Sicherheit und Qualität der Bauplanung und -ausführung in Deutschland zu gewährleisten, sind Normprojekte im Bauwesen von Beginn an zwingend auf deren Marktrelevanz und ihre Kosten-Nutzen-Relation zu prüfen. Im Rahmen der EU-Bauprodukteverordnung ist auf die nationalen Sicherheitsanforderungen für Bauwerke Rücksicht zu nehmen.

4. Planung digitalisieren

Durch die Digitalisierung – insbesondere durch den Einsatz von Building Information Modeling (BIM) – verändern sich die methodischen Prozesse und Abläufe im Planungs- und Bauwesen. Die Digitalisierung kann helfen, die Auswirkungen des Fachkräftemangels zu mildern. Zudem kann sie ein Baustein für mehr Kooperation im Bauwesen sein, was zu kürzeren Planungs- und Bauzeiten und damit zu geringeren Kosten führen kann. Nicht zuletzt kann die Digitalisierung Planungsfehler und somit Mehraufwände verhindern.

Einer Umfrage der Bundesingenieurkammer zufolge, wird BIM jedoch weitestgehend noch nicht von den Auftraggebern verlangt. Es besteht zudem Unklarheit, wie BIM adäquat zu vergüten ist – nur weil es digital erfolgt, ist die Planung mit BIM nicht automatisch billiger. Zudem bedarf es weitgehender Investitionen, um alle Planungsstrukturen auch tatsächlich „fit für BIM“ zu machen. Für mehr Chancengleichheit und zur Unterstützung insbesondere der kleinen und mittleren Strukturen ist daher eine geeignete Förderkulisse zu schaffen.

Auch die Künstliche Intelligenz (KI) hält im Bereich des Bauwesens immer stärker Einzug. Gerade zur Bekämpfung des Fachkräftemangels kann hier Potenzial gehoben werden. Daher ist die Weiterentwicklung der KI-Strategie ein wichtiges Element zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Europäischen Planungsmarktes.

5. Nachwuchs adäquat ausbilden

Die Ausbildung in den Studiengängen des Bauwesens bewegt sich in Deutschland auf einem hohen qualitativen Niveau. Dies gilt insbesondere für die Universitäten und Hochschulen, die sich an dem gemeinsam von der Wertschöpfungskette Bau und den wesentlichen Hochschulorganisationen entwickelten Referenzrahmen des Akkreditierungsverbundes für Studiengänge des Bauwesens (ASBau) orientieren. Vereinzelt ist jedoch festzustellen, dass einige Studienangebote Defizite aufweisen, die aus unserer Sicht dazu führen, dass die Absolventen keine Ingenieure im Sinne unseres Qualitätsanspruches sind.

Da die Europäischen Union im Rahmen ihrer ambitionierten Zukunftsprogramme wie dem „Green Deal“ zwingend auf Expertinnen und Experten auch aus dem Bauplanungswesen angewiesen ist, sollte ein gemeinsamer Ausbildungsrahmen auf europäischer Ebene die notwendige Qualität in der universitären und hochschulischen Ausbildung sichern helfen.

6. Nachhaltigkeit im Bauwesen steigern

Europa muss in allen Bereichen und auf allen Ebenen zur Energiewende beitragen, wobei nicht allein die Energieeffizienz, sondern insbesondere der Klimaschutz im Vordergrund stehen soll. Der Fokus muss dabei auf die Sanierung des Gebäudebestandes gelegt werden. Initiativen und Vorhaben wie der „Green Deal“ oder das „Neue Europäische Bauhaus“ sind dabei zu begrüßen und müssen sich auch in der Förderlandschaft widerspiegeln.

Entsprechende Antragsverfahren müssen deutlich vereinfacht und entbürokratisiert werden, um Planerinnen und Planern sowie Bauherren einen effizienten Zugang zu Fördermitteln für nachhaltige Vorhaben zu ermöglichen.

Auch der Infrastruktursektor muss im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsbetrachtung noch stärker in den Fokus rücken. Infrastrukturen müssen in Anbetracht des Klimawandels und den damit verbundenen Extremwetterereignissen resilienter werden. Hierfür bedarf es geeigneter Planerinnen und Planer und ausreichend verfügbarer Mittel.

Quelle: Bundesingenieurkammer (BIngK), Foto: BIngK / AdobeStock

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