24.10.2023 - Brüssel
Zu einem informativen Austausch rund um das Thema Fremdbesitzverbot und freiberufliche Werte im stetigen Wandel der Gesellschaft hatte der Verband Freier Berufe in Bayern (VFB) zusammen mit der Vertretung des Freistaats Bayern am 24.10.2023 nach Brüssel eingeladen und damit einen Volltreffer gelandet. Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau war mit ihrem Vorstandsmitglied Alexander Lyssoudis (2.v.l.), der auch Vizepräsident des Verbands Freier Berufe in Bayern ist, vertreten.
Das Interesse an diesen Themen war groß und so freute sich VFB Präsident Dr. Thomas Kuhn bereits im Vorfeld über die große Resonanz aus den Reihen der Vertreter der europäischen Institutionen. Nach der Begrüßung durch denLeiter der Vertretung des Freistaates Bayern bei der Europäischen Union, Michael Hinterdobler, betonte VFB-Präsident Dr. Thomas Kuhn in seiner Keynote-Speach, dass sich in der heutigen Zeit jeder Beruf verändern muss und verändern wird. Er appelliere aber an alle Verantwortlichen, dafür Sorge zu tragen, dass die Rahmenbedingungen auch in der Zukunft eine verantwortungsvolle Ausübung der Berufsbilder erlauben.
Hierzu zähle für die Freien Berufe auch ein gewisser Grad an Mindestregulierung, zu der auch das in Deutschland bewährte Fremdbesitzverbot zähle. Der Verbraucherschutz muss dabei stets oberstes Ziel bleiben und darf nicht fremden Kapitalinteressen zum Opfer fallen. „Wenn die Kapitalrendite mein oberstes Ziel ist, verliere ich schnell den Fokus auf die Bedürfnisse des Verbrauchers“, so Dr. Kuhn. Hieraus resultierten die bedauerlicherweise immer stärker zunehmenden Missstände der Vergütungsoptimierung und der Übernahme ausschließlich ertragsreicher Tätigkeitsfelder, wie etwa bei von Softwareanbietern betriebenen Arztpraxen oder Internetkanzleien bei Verkehrsordnungswidrigkeiten.
Über das Thema „Fremdbesitzverbot versus Freiheit und Eigenverantwortung“ diskutieren im Anschluss auf dem Podium
Moderiert wurde die Diskussion von Herrn Peter Klotzki, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Freien Berufe (BFB).
Dabei legte Prof. Dr. Niebler ihren Standpunkt dar, dass sie die Auswirkungen der Einflussnahme von Fremdkapital bei den Freien Berufen sehr kritisch sieht. „Die Freien Berufe haben sich immer durch ihre Grundwerte, insbesondere ihre Gemeinwohlorientierung ausgezeichnet. Es fällt mir schwer, diese mit einem Kapitalgeber in Einklang zu bringen, denn dieser hat eben kein Interesse am Notdienst“. Prof. Dr. Niebler betonte weiter, dass die Freien Berufe besonders in der Coronakrise Hilfe vor Ort und Dienst am Menschen geleistet hätten. Diesen Realitäts- und Praxischeck hätten die Freien Berufe gut bestanden. Dies dürfe man nicht leichtfertig durch neue Regularien auf den Prüfstand stellen. Vielmehr sei es Aufgabe der Politik, die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.
Die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung muss gewährleistet sein, stimmte auch Henning Ehrenstein zu. Ob es dazu eines Fremdbesitzverbotes bedürfe, halte er aber für fraglich und störte sich an der Polarisierung „Fremdbesitz versus Eigenverantwortung“ sowie „Fremdbesitz versus Gemeinwohl“. Er stellte klar, dass jegliche Regulierungen stets unter Einhaltung der Verhältnismäßigkeit erfolgen müssten.
Michael Schick beschrieb das besondere Verhältnis des deutschen Steuerberaters in Partnerschaft zum Staat, das in anderen europäischen Ländern in dieser Form unbekannt sei. Die Stellung des Steuerberaters als unabhängiges Organ der Steuerrechtspflege sei im Steuerberatergesetz verankert. Durch das Fremdkapitalverbot werde die Unabhängigkeit des Steuerberaters abgesichert.
Rudolf Kolbe gab den Teilnehmern einen Einblick in die Entwicklung in Österreich, wo die gesetzliche Ermöglichung einer Kapitalbeteiligung von bis zu 50 % an einer Tierärztegesellschaft keinerlei Steigerung der Wirtschaftsleistung erbracht habe und praktisch auch nicht wahrgenommen wurde.
In der sich anschließenden Fragerunde wurde unter anderem die Frage erörtert, wie es sichergestellt werden könne, dass ein berufsfremder Dritter sich z.B.an die Verschwiegenheitspflicht der Freien Berufe halte. VFB-Ehrenpräsident Dr. Fritz Kempter appellierte daran, an die Konsequenzen einer Aufgabe des Fremdbesitzverbotes bei Rechtsanwälten und Steuerberatern zu denken. Zwar könnten Verschwiegenheitspflichten in Satzung oder Gesellschaftsvertrag geregelt werden, aber beides sei abänderbar. Die Verschwiegenheitspflicht der Freien Berufe sei dagegen im Gesetz geregelt und damit vom Staat mit Sanktionen bewehrt. „Die core values der Freien Berufe dürfen aber niemals zur privatrechtlichen Disposition gestellt werden“, so Dr. Kempter.
Bei einem Walking Dinner wurden die Gespräche noch bis in den Abend hinein fortgesetzt.
Quelle:
Verband Freier Berufe in Bayern (VFB), Fotos: Zacarias Garcia
Titelfoto Podium und Präsidium (v.l.n.r.) Dr. Markus Beck, 1.VFB-Vizepräsident,
Alexander Lyssoudis, VFB-Vizepräsident, Rudolf Kolbe, Stellvertretender
Vorsitzender, Gruppe Organisationen der Zivilgesellschaft, Europäischer
Wirtschafts- und Sozialausschuss, Mitglied des Präsidiums und
EU-Beauftragter der Bundeskonferenz der Freien Berufe Österreichs, Prof.
Dr. Angelika Niebler, MdEP (EVP), Mitglied im Ausschuss für Industrie,
Forschung und Energie des Europäischen Parlaments und Vorsitzende der
CSU-Europagruppe, Moderator Peter Klotzki, Hauptgeschäftsführer beim
Bundesverband der Freien Berufe (BFB), Dr. Thomas Kuhn, VFB-Präsident,
Henning Ehrenstein, Referatsleiter, Generaldirektion Binnenmarkt,
Industrie, Unternehmertum und KMU (GROW), Europäische Kommission,
Christian Schnurer, VFB-Vizepräsident, Franziska Scharpf,
VFB-Vizepräsidentin, Michael Schick, Syndikusrechtsanwalt,
Geschäftsführer EU-Verbindungsbüro Brüssel, Bundessteuerberaterkammer
KdöR, Dr. Bruno Waldvogel, VFB-Vizepräsident, Dr. Andrea Albert,
VFB-Vizepräsidentin, Dr. Fritz Kempter, VFB-Ehrenpräsident.
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