03.04.2023 - Viersen
Bauen wird zunehmend teurer. Die Ursachen sind vielfältig, auch die durch Russlands Einmarsch in die Ukraine ausgelöste Energiekrise zählt dazu. Die gestiegenen Kosten von Erdgas und Erdöl führen zu Preiserhöhungen etwa beim Transport und Herstellen von Baumaterialien. Die Firma Claytec im nordrhein-westfälischen Viersen hat nun ein energiesparendes Produktionsverfahren entwickelt, bei dem Platten aus einer speziellen Pflanzen-Lehm-Mischung mit Sonnenkraft im Gewächshaus trocknen. Einsetzbar sind sie wie Gipskartonwände.
Wer als Kind im Matsch spielen durfte, kennt das Gefühl nasser, schwerer Erde an den Händen. Lehm - ein Gemisch aus Ton, Schluff und Sand – lässt sich gut formen und kommt fast überall auf der Welt vor. Um herauszufinden, welche Zusammensetzung sich am besten zur Herstellung einer vergleichsweise leichten, aber stabilen Lehmplatte für den Innenausbau eignet, probierte Projektleiter und Claytec-Geschäftsführer Peter Breidenbach unterschiedliche Pflanzen-Lehm-Gemische aus. „Die besten Testergebnisse im Vergleich zu Stroh, Hanf und Bambus lieferten gehäckselte Miscanthus-Fasern, zu Deutsch: Chinaschilf“, sagt er.
Im kleinen Ort Steinforth-Rubbelrath im Rhein-Kreis Neuß traf der auf Lehmbau spezialisierte Entwickler auf ideale Bedingungen für sein neues Vorhaben: zum einen ein brachliegendes Gewächshaus, in dem früher Blumenzwiebeln getrocknet wurden. Zum anderen eine nahegelegene Kiesgrube, bei deren Betrieb Baulehm als Nebenprodukt anfällt, und eine Miscanthus-Anbaufläche – nur 200 Meter entfernt.
Breidenbach will Bauen nachhaltiger machen. „Der Bausektor ist ein besonders energie- und ressourcenintensiver Wirtschaftszweig“, sagt er. Hinein spielen neben der Baustoff-Herstellung etwa auch die Rohstoff-Gewinnung, der Transport der Materialien und die Entsorgung. Breidenbach: „Mit unserem regionalen Ansatz der kurzen Wege mindern wir den Energieeinsatz ebenso wie den Treibhausgasausstoß, wodurch das Verfahren klimafreundlicher ist als andere.“
Die Pflanzenfasern in der Lehmplatte haben nach seinen Worten sogar einen positiven Effekt, da sie klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre in Form von Kohlenstoff binden. Zudem verbessert sich die Treibhausgasbilanz des Verfahrens durch die passive Trocknung im Gewächshaus, denn „es wird nur sehr wenig Energie benötigt und die stammt aus regenerativer Erzeugung“, sagt Breidenbach. „Wenn die Sonne im Frühjahr scheint, können wir starten.“
Im Gewächshaus wird die Lehm-Pflanzen-Mischung auf perforierte Formbleche aufgetragen und mechanisch geglättet. „In einem 13 Meter langen und mit schwarzer Folie abgedeckten Tunnel trocknen gestapelte Formbleche mit Lehmplatten“, sagt Breidenbach. Programmierte Roboter sind nach seinen Worten erforderlich, um die 40 Kilogramm schweren Formbleche zu bewegen. Und Industrieventilatoren sorgen für die Umluft. Doch trocken werden die Platten vor allem durch die Gratisleistung der Sonne, die das Gewächshaus aufheizt, so Breidenbach.
Übliche Verfahren zur Baustoffherstellung sind häufig auf Gasversorgung angewiesen, „müssen jetzt aber wegen der Energiekrise energetisch effizienter werden“, sagt Sabine Djahanschah, Leiterin des DBU-Referats Architektur und Bauwesen. Die Pflanzen-Lehm-Mischung als Baustoff könnte nach ihren Worten Aufwind bekommen, denn sie hat ein deutliches Treibhausentlastungspotenzial durch den hohen Pflanzenanteil und die Kreislaufführung. Das Schonen der Ressourcen sei ein weiterer Vorteil. Breidenbach: „Die Platten können wiederverwendet oder der Lehm zum Beispiel als Lehmmörtel wiederverwertet werden – ohne Rohstoffverlust.“
Das Verfahren schätzt die Architektin deshalb als energieeffiziente und ökologische Alternative mit Vorbildcharakter ein. Anwendungstests belegten zudem die Praxistauglichkeit der neuen Platten. Breidenbach: „Die Lehmplatten sind wie Gipskartonwände einsetzbar.“ Das macht sie wirtschaftlich interessant, so Djahanschah. Eine flexible farbliche Gestaltung bedeute ein zusätzliches Plus beim Hausbau. „Das neue Verfahren klingt einfach, beinhaltet aber sehr viel innovative und effizienzsteigernde Entwicklungsleistung“, sagt Djahanschah.
Das regionale und klimafreundliche Verfahren hat die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) fachlich und finanziell mit rund 82.000 Euro gefördert.
Quelle: Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), Fotos: Claytec
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