23.03.2023 - Berlin
Lehm wird seit Jahrtausenden verwendet. Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) untersucht aktuell die Eigenschaften von Mauerwerk und Mörtel aus Lehm für die Nutzung im nachhaltigen Wohnungsbau. Ziel: Das Material soll in die entsprechenden Anwendungsnormen aufgenommen werden. Das Projekt wird von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert.
Bauen ist eine wesentliche Ursache für den Ausstoß des Treibhausgases CO2. Häuser und andere Gebäude nachhaltig und klimaneutral zu errichten, ist deshalb ein Gebot der Vernunft. „Dabei könnten Baustoffe aus Lehm eine wichtige Rolle spielen“, sagt Philipp Wiehle. Der Bauingenieur ist an einem Forschungsprojekt beteiligt, das die Festigkeit, Verformung sowie andere bauphysikalischen Eigenschaften von Lehmsteinen und -mörtel untersucht.
Die Grundvoraussetzungen von Lehm für klimaneutrales und nachhaltiges Bauen sind ausgezeichnet: Das Material – einfache Erde mit einem Anteil an Tonmineralen – ist weltweit in nahezu allen Böden verfügbar. Es kann zu 100 Prozent recycelt und wiederverwertet werden. Und: Lehm wird im Gegensatz zu Zement nicht gebrannt, sondern lediglich getrocknet und hat daher einen um 85 Prozent geringeren Primärenergiebedarf. Seine CO2-Bilanz fällt entsprechend gut aus.
Um die Vorteile von Lehm wissen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Berlin-Lichterfelde schon seit mehreren Jahren. Denn die Erforschung von Lehm hat in der BAM Tradition: Sie hat bereits 2013 dazu geführt, dass in Deutschland Lehmputze in die allgemeine Anwendungsnorm aufgenommen wurden. Das ist wichtig: Zwar durfte das Material auch vorher verwendet werden. Im Zweifel aber blieben Haftungsfragen ungeklärt. Mit der Aufnahme in die Norm müssen Qualitätsansprüche rechtsverbindlich erfüllt werden. Und erst dadurch wurden Lehmputze im wichtigen öffentlichen Bausektor interessant.
„Das hat eine wahre Renaissance des Materials eingeleitet“, erklärt Wiehle. Aktuell können die produzierenden Unternehmen kaum die hohe Nachfrage decken. Aus gutem Grund: Lehm besitzt eine Wasseraufnahme und -Abgabekapazität, die für eine angenehme Raumfeuchtigkeit sorgt. „Mit Lehm bekommt man eine bessere Klimatisierung als mit herkömmlichen Baustoffen“, so Wiehle.
Jetzt sollen tragende Lehmsteine und Mauerwerk aus Lehm folgen. Das BAM-Team prüft in verschiedenen Settings – vor allem bei unterschiedlich hoher Luftfeuchtigkeit –, wie gut die Lehm-Baustoffe den dabei auftretenden Belastungen standhalten. So ermitteln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deren Standfestigkeit. „Das Feuchtigkeitsverhalten des Materials ist entscheidend“, sagt Wiehle.
Das Team bestimmt den Einfluss der
Luftfeuchtigkeit auf die Festigkeit und Steifigkeit der Lehmsteine. Die
verringern sich nämlich mit zunehmender Luftfeuchte; ein Faktor, der in
statischen Berechnungen entsprechend berücksichtigt werden muss.
Es zeichnet sich ab, „dass selbst bei einer Luftfeuchtigkeit von bis zu 80 Prozent die Tragfähigkeit ausreichend ist“, erklärt der Bauingenieur. Das Tragverhalten von Lehmmauerwerk ist mit konventionellem Mauerwerk vergleichbar – teilweise sogar besser. Darüber hinaus spielen Aspekte wie Wärme-, Brand- und Schallschutz eine große Rolle bei den Versuchen der BAM.
Philipp Wiehle sieht für Lehmbausteine eine große
Zukunft: 75 Prozent der Wohnungsbauten in Deutschland entstehen nach wie vor in
Mauerwerkbauweise. Davon betrifft über die Hälfte den sogenannten
geringgeschossigen Bereich – also zum Beispiel das „klassische“ Eigenheim.
„Das ist genau der Markt, auf den wir abzielen“, betont Philipp Wiehle. Sobald das Lehmmauerwerk in die Anwendungsnorm aufgenommen sei, könnten Architekt/innen und Ingenieur/innen sicher sein, dass sie es mit einem technisch verlässlichen und ökologisch vorteilhaften Material zu tun haben.
Quelle und Fotos: Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM)
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