25.03.2022 - München
Die Grundwasserreinigungsanlage im Ernst-Thälmann-Park in Berlin-Pankow - Foto: Frank Rauch
Unter dem Motto „Kein Ding ohne Ing.“ stellt die Bayerische Staatszeitung auf einer Sonderseite regelmäßig spannende Projekte von Kammermitgliedern vor. Im neuesten Artikel zeigt das Ingenieurbüro Team für Technik mögliche Synergien durch eine thermische Nutzung von Grundwasser aus Grundwasserreinigungsanlagen in Berlin und die resultierenden ökologischen und wirtschaftlichen Chancen. Lesen Sie hier den Artikel - und reichen Sie am besten gleich selbst ein Projekt zur Veröffentlichung ein.
Das Grundwasser im Berliner Untergrund birgt ein enormes energetisches
Potenzial. Durch Wärmepumpen kann es zu Zwecken der Wärmeversorgung nutzbar
gemacht werden und so eine klimafreundliche Wärmequelle darstellen.
Für die Erschließung müssen jedoch zunächst Brunnen, Leitungen, Pumpen und teilweise auch Wasseraufbereitungsanlagen gebaut werden. Dies alles erfordert entsprechende Investitionen und Betriebsaufwand und beinhaltet ein – geringes - Restrisiko im Hinblick auf tatsächlich erzielbare Fördermengen und Grundwasserbeschaffenheit.
Es gibt allerdings Standorte an denen Grundwasser bereits gefördert und
sogar vorgereinigt wird und an der Oberfläche gesichert verfügbar ist: Anlagen
zur Reinigung von belastetem Grundwasser. Könnten hier Wärmenutzungskonzepte
ähnlich etabliert werden, wie z.B. mittlerweile im öffentlichen Abwassersystem?
Vor diesem Hintergrund untersucht das Ingenieurbüro Team für Technik nach positiven Erfahrungen mit einer bereits umgesetzten Anlage in München [1] das Potenzial solcher Anlagen für die Berliner Gegebenheiten. Hierzu entstand unter anderem eine Masterarbeit [2]. Das Prinzip dabei ist einfach: Wasser aus bestehenden Grundwasserreinigungsanlagen (GWRA) wird nach der Reinigung zusätzlich thermisch genutzt, als Wärmquelle für eine Wasser-Wasser-Wärmepumpe, die wiederum Verbraucher mit Wärme versorgt.
Durch die Industrialisierung seit Mitte des 19. Jahrhunderts – Berlin war einmal eine der größten Industriestädte Europas – existieren eine Vielzahl ehemaliger Gewerbe- und Industriestandorte sowie Altablagerungen, auf denen im Laufe der Zeit durch den unsachgemäßen Umgang mit umweltgefährdenden Stoffen, Havarien und/oder Kriegseinwirkungen zum Teil erhebliche Boden- und Grundwasserverunreinigungen stattgefunden haben.
Die Reinigung von Grundwasser wird in Berlin mit erheblichem technischem Aufwand, je nach zu reinigenden Schadstoffspektrum betrieben.
Für die Grundwasserreinigung kommen in den meisten Fällen Verfahren zum Einsatz, bei denen kontaminiertes Grundwasser an die Oberfläche gepumpt wird, um in Reinigungsanlagen die Schadstoffe zu entfernen. Danach wird das Wasser in den Untergrund reinfiltriert, in die Regenwasserkanalisation oder in Oberflächengewässer eingeleitet.
Das gereinigte Wasser ist damit direkt zugänglich. Hier ist der erwähnte wesentliche Unterschied zu üblichen Grundwassernutzungen erkennbar. Die Anlagen zur Grundwasserförderung sind bereits genehmigt und gebaut. Für das Wasser sind Fördermenge und Beschaffenheit bekannt. Außerdem ist das Reinwasser von einigen Stoffen befreit, die für Anlagenteile schädlich sein können.
Für Grundwassereigenschaften wie in Berlin – mit erhöhtem Eisen- oder
Mangangehalt - gilt zusätzlich: Um mögliche verockerungsbedingte Zusetzungen in
der Brunnenanlage aufgrund erhöhter Eisen- oder Mangankonzentrationen im Grundwasser
kümmert sich ggf. schon der GWRA-Betreiber im Rahmen seiner Reinigungs- und
Regenerationsprozesse.
Diesbezügliche Maßnahmen sind ggf. als „Sowieso-Maßnahmen“ der GWRA unabhängig von der Wärmepumpe und belastet deren Betrieb nicht wirtschaftlich. (Am Wärmetauscher kann unter bestimmten Bedingungen möglicherweise zusätzlich Verockerung auftreten. Dort ist sie allerdings wesentlich einfacher handhabbar als im Brunnenrohr.)
Die Idee, Grundwasser aus GWRA für Wärmepumpen zu nutzen ist gar nicht so neu. Es gibt in Deutschland bereits umgesetzte Projekte. In der Abbildung ist das Prinzip erklärt: Das Wasser aus der GWRA wird der Wärmepumpe (WP) zugeführt, gibt hier seine Wärme ab und wird anschließend in ein Oberflächengewässer oder einen Schluckbrunnen eingeleitet. Die Wärmepumpe beheizt dann nahegelegene Gebäude.
Aus technischer Sicht steht dem Vorhaben, bis auf die oben erwähnte Thematik der Wasserqualität, nichts im Wege. Die Wärmepumpentechnologie ist – innerhalb geeigneter Temperaturbereiche - ausgereift und kann individuell auf standortspezifische Parameter ausgelegt werden.
Die Nutzung von Grundwasser ist rechtlich betrachtet aus gutem Grund ein
sensibles Thema. Hier soll Grundwasser für den Betrieb von Wärmepumpen ausgekühlt
werden – ein Eingriff in seine Temperatur. Ob und in welchem Rahmen diese
Nutzung in Berlin gestattet ist, ist natürlich entscheidend für die
Umsetzbarkeit.
Hier ergibt sich eine Herausforderung: Da ein solches Projekt in
Berlin bisher nicht umgesetzt wurde, gibt es noch keine etablierte Handhabung
in der Verwaltungspraxis. Um dennoch eine vorläufige Aussage über die
genehmigungsrechtliche Umsetzbarkeit zu ermöglichen, wurden zunächst die Vorgaben
für die Nutzung von Geothermie in Berlin – z.B. zur zulässigen Auskühlung –herangezogen.
Mögliche rechtliche Vorteile für GWRA-Wärmepumpen sind dabei berücksichtigt:
Beispielsweise kann in Trinkwasserschutzgebieten die Nachrüstung von
Wärmepumpen zu bestehenden GWRA zulässig sein, während dies Wärmepumpen mit
eigener Grundwasserförderung oder Erdsonden nicht sind.
Auf dieser Basis wurden mögliche Anforderungen mit der zuständigen Behörde diskutiert. Auf Basis der ersten Diskussionsergebnisse scheint eine weitere Genehmigung über die bestehende der GWRA hinaus nicht erforderlich zu sein. Allerdings ist diese Aussage noch vorläufig, so dass die zuständigen Behörden immer frühzeitig ins Projekt eingebunden werden sollten.
Um das Konzept zu konkretisieren, wurde für eine reale GWRA im Berliner Stadtteil Niederschöneweide eine Fallstudie erarbeitet. Die Studie untersucht die Möglichkeit, zwei in der Nähe der GWRA in Planung befindliche Gebäude durch Wärmepumpen zu beheizen. Dabei soll das Reinwasser aus der GWRA als Wärmequelle dienen.
Der Heizwärmebedarf der beiden Gebäude beläuft sich auf ca. 700 MWh jährlich.
Das Konzept wurde in einem Variantenvergleich einer Beheizung durch Fernwärme gegenübergestellt. Hierbei wurden Kosten und CO2-Emissionen betrachtet.
Bei der Nutzung der GWRA-Wärmepumpen fallen lediglich 53 Tonnen CO2 pro Jahr an – eine Einsparung von 40 Prozent. Die thermische Nutzung von Grundwasser aus der GWRA könnte somit Ihren Teil zur Erreichung der Klimaziele von Berlin beitragen und zusätzlich auch noch ein wenig der Erwärmung des Grundwassers entgegenwirken.
Welche Schlüsse lassen sich daraus für Berlin ziehen?
Im Projekt wurden weitere Anlagen in Berlin identifiziert, die für eine thermische Nutzung geeignet sind. Hierfür sind drei Kriterien maßgeblich:
In Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung für Umwelt Verkehr und Klimaschutz, die einen großen Teil der Reinigungsprojekte in Berlin beauftragt, wurden bislang 18 Standorte identifiziert, die unter den o.g. Kriterien grundsätzlich in eine engere Auswahl kommen. Allein diese Anlagen haben unter den Ansätzen der Fallstudie eine theoretische Heizleistung von 6,6 MW. Darunter befinden sich einige vielversprechende Standorte für ein Pilotprojekt.
Die Untersuchung zeigt, dass die Nutzung von thermischer Energie aus Grundwasser aus GWRA in Verbindung mit
Wärmepumpen in Berlin umsetzbar ist. Unter den richtigen Voraussetzungen können
Gebäude oder andere Wärmeabnehmer ganzjährig versorgt werden.
Der Vergleich zeigt, dass die Gesamtkosten unter guten Bedingungen niedriger sein können als die einer Fernwärmeversorgung. Ökologisch betrachtet sind die Wärmepumpen in der betrachteten Fallstudie im Vorteil, da die CO2-Emissionen deutlich geringer ausfallen. Außerdem kann die thermische Nutzung der Erwärmung des Grundwassers, bzw. der Oberflächengewässer ein wenig entgegenwirken und damit ein Beitrag zur langfristigen Sicherstellung der Grundwasserqualität und Ökologie der betroffenen Oberflächengewässer in Berlin leisten.
Im Vergleich zu herkömmlichen Grundwasserwärmepumpenanlagen haben GWRA-Wärmepumpen an geeigneten Standorten mehrere Vorteile, hier nochmals zusammengefasst:
Bei den richtigen Voraussetzungen am Standort einer GWRA kann sich also, eine Wärmeauskopplung lohnen.
Quellen:
Autoren:
Fotos und Grafiken: Frank Rauch, Bayerische Staatszeitung, Harbeuer GmbH, Niklas Schneble, Team für Technik (2x)
Mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Staatszeitung
Einmal im Quartal erscheint ein ganzseitiger Artikel über ein Projekt eines Mitgliedes der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau in der Bayerischen Staatszeitung. Auch Ihr Projekt kann dabei sein!
Alles,
was Sie tun müssen, ist eine Mail an Sonja Amtmann, Pressereferentin
der Kammer, zu schicken und kurz zu skizzieren, welches Projekt Sie
gerne vorstellen möchten und was Ihr Projekt ausmacht.
Es gibt keinerlei
Begrenzungen hinsichtlich des Fachgebietes. Auch kann das Bauvorhaben
an jedem beliebigen Ort der Erde realisiert worden sein.
Einzige
zwingende Voraussetzung ist, dass der Autor des Artikels Kammermitglied
ist und das Projekt möglichst nicht älter als fünf Jahre ist.
Wenn noch Fragen offen sind...
...
hat Sonja Amtmann, die Pressereferentin der Kammer, stets ein offenes
Ohr für Sie. Rufen Sie an unter +49 (0) 89 419434-27 oder schicken Sie eine
E-Mail an smtmnnbykd.
Die Social Media Buttons oben sind datenschutzkonform und übermitteln beim Aufruf der Seite noch keine Daten an den jeweiligen Plattform-Betreiber. Dies geschieht erst beim Klick auf einen Social Media Button (Datenschutz).
Jetzt Newsletter abonnieren!
To our Ukrainian colleagues
The
Bavarian Chamber of Civil Engineers (civil engineers and engineers in the
construction industry) is pleased to offer support to Ukrainian
colleagues with regard to professional issues. Please do not hesitate to contact us.
Professional recognition of engineers
Jobs and internships
Language training
Nachhaltig Planen und Bauen
Digitaltouren - Digitalforen
Netzwerk junge Ingenieure
Werde Ingenieur/in!
Veranstaltungstipps
HOAI Info-Plattform
Einheitlicher Ansprechpartner
Berufsanerkennung
Professional recognition
Bayerische Ingenieurekammer-Bau
Körperschaft des öffentlichen Rechts
Schloßschmidstraße 3
80639 München