21.01.2022 - Stuttgart
Chitin ist der Hauptbestandteil von Insektenpanzern und sorgt dafür, dass diese stabil und zugleich biegsam sind. Das Forschungsprojekt Chitinfluid, gefördert von der Carl Zeiss-Stiftung, beschäftigt sich mit der Nutzung von Chitin im Bauwesen und will Chitin sowie seine Derivate zu nachhaltigen Werkstoffen verarbeiten. In einem hybriden Symposium unter der Leitung von Prof. Sabine Laschat von der Universität Stuttgart diskutierte das Projektteam den aktuellen Stand der Forschung und präsentierte erste Ergebnisse.
Das interdisziplinär aufgestellte Projektteam aus sieben Forschenden der Universität Stuttgart und deren 15 Doktoranden betrachtet ganzheitlich die Prozesskette vom Rohstoff, über die Materialien bis hin zu deren Verarbeitung und Nutzung als intelligenter Baustoff.
So präsentierten die Arbeitsgruppen um Prof. Frank Giesselmann und Prof. Thomas Sottmann am Institut für Physikalische Chemie (IPC) ihre Erkenntnisse zur Herstellung von komplexen Fluiden, die in Wasser über den Zeitraum von mehreren Wochen hinweg stabile Suspensionen bilden.
Doktoranden der Arbeitsgruppe von Prof. Sabine Laschat am Institut für Organische Chemie (IOC) arbeiten an der Verarbeitung von Chitin für 3D-Druck. Sie konnten bereits Proben von festen Werkstoffen präsentieren, welche in einem mehrstufigen Prozess auf der Basis von Chitin geformt werden. Die Materialien bieten mechanische Stabilität sowie die angestrebten geringe Dichten. Im Zuge dieser Arbeiten wurden zusätzlich besonders geeignete Ursprungsmaterialien aus der Natur identifiziert.
Details zur Chitin-Biosynthese wurden von der Arbeitsgruppe von Prof. Ingrid Weiss vom Institut für Biomaterialien und Biomolekulare Systeme vorgestellt. Und die Arbeitsgruppe von Dr. Linus Stegbauer präsentierte zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) ein Verfahren zur Gewinnung von Chitin aus Häuten von Larven der Schwarzen Soldatenfliege.
Die Gruppe von Prof. Hanaa Dahy zeigte Möglichkeiten von Chitin-basierten
Materialien im Bauwesen und der Architektur auf. Aktuell arbeitet das Team an
einem Bauproduktekatalog und charakterisiert verschiedene Materialien im
Labormaßstab.
Bereits im Sommer hatte die BioMat-Gruppe auf dem Campus Stadtmitte der Universität Stuttgart die LightPRO Shell ausgestellt, eine Leichtbaukonstruktion, die eine biegeaktive Gitterschale aus Naturfaser-Bioverbundprofilen besitzt und die Möglichkeiten von biobasierten Materialien greifbar macht.
Auch drei der externen Kooperationspartner, die das Stuttgarter Projektteam mit ihrer Expertise unterstützen, präsentierten ihre aktuellen Forschungsergebnisse rund um die Herstellung und Verarbeitung von bio-basierten Rohstoffen.
So berichtete Prof. Steve Weiner vom Weizmann Institute of Science in Rehovot (Israel) über seine faszinierende Suche nach Gemeinsamkeiten in der Biomineralisation verschiedener Organismen anhand von zwei Milliarden Jahre alten Fossilien und aktuellen hochauflösenden elektronenmikroskopischen Untersuchungen. Demnach scheint Chitin eine wichtige Rolle unter anderem bei der Strukturbildung von Perlmutt zu spielen.
Prof. Jan Lagerwall vom Institut für Experimentelle Polymerphysik der Universität Luxembourg stellte ein ausgeklügeltes Fraktionierungsschema vor, mit dessen Hilfe Cellulose-Nanokristalle nach ihrer Größe bzw. Länge effizient getrennt und deren Phasenverhalten bzw. Gelbildung gesteuert werden kann.
In einem anwendungsorientierten Vortrag präsentierte Dr. Gerrit Hohenhoff vom Laserzentrum Hannover (LZH) verschiedene Methoden zur additiven Fertigung vor, mit deren Hilfe Biopolymere in 3D Objekte überführt werden können.
Beim Kolloquium des Chitinfluid-Projekts wurde so ein reger, fachlicher Austausch der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und der Projektpartner ermöglicht. Die Darstellungen der einzelnen Arbeitsgruppen förderten die Kommunikation und Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen auf dem Weg zu nachhaltigeren Baustoffen auf Basis von Chitin.
Quelle: Universität Stuttgart, Fotos: Universität Stuttgart / BioMat am ITKE (1,2); Universität Stuttgart / IPC (3)
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