19.10.2021 - Berlin
Zum Beginn der Koalitionsverhandlungen appellieren die Präsidenten der Spitzenverbände der deutschen Bauwirtschaft an die drei potenziellen Koalitionäre, sich für eine pragmatische, nach vorne gerichtete Baupolitik einzusetzen, in der Investitionen in die Infrastruktur, in die digitalen Netze sowie im Bereich des Wohnungsbaus verstetigt und das Bauen für mehr Klimaschutz und bezahlbaren Wohnraum in den Mittelpunkt gerückt werden.
„Bauinvestitionen sind die Grundlage für weitreichende wirtschafts-, gesellschafts- und klimapolitische Veränderungen. Sie stützen nicht nur die Binnenkonjunktur, sondern ermöglichen eine klimagerechte und resiliente Modernisierung unserer Infrastruktur. Dafür benötigt es einen Ordnungsrahmen, mit dem unsere Unternehmen alle ihre Kapazitäten einbringen und das gesamte technische Know-how genutzt wird, anstatt sich nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu fokussieren“, so die Präsidenten des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe und des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, Reinhard Quast und Peter Hübner, übereinstimmend.
„Es besteht kein Zweifel, dass der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur auf der politischen Agenda bleiben muss. Die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger sowie eine effiziente Güterlogistik können nur mit einem gut ausgebauten Straßennetz, schnellen Bahnverbindungen und ergänzenden Wasserstraßen gelingen. Unsere Unternehmen haben im Vertrauen auf diese Investitionen ihre Kapazitäten ausgeweitet und stehen zudem bereit, gemeinsam mit den Auftraggebern Lösungen zu implementieren, die ein Mehr an Kreislaufwirtschaft und noch höhere Recycling-Quoten ermöglichen“, so die Bau-Präsidenten.
Angesichts der besonders in den Ballungsgebieten vorhandenen Wohnungsnot machen sich die beiden Verbände zudem für eine Fortsetzung wohnungsbaupolitischer Maßnahmen stark.
„Im Mietwohnungsbau brauchen wir neben der Anpassung der AfA an den Wertverzehr der Immobilie von zwei auf drei Prozent, dringend mehr Sozialwohnungen, da jährlich 80.000 Wohnungen aus der Sozialbindung fallen. Wir begrüßen es daher, dass die Förderung des sozialen Wohnungsbaus nach einer entsprechenden Anpassung des Grundgesetzes unter Beteiligung des Bundes fortgeführt werden kann. Gleichzeitig sollten aber die bis 2019 zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel auf drei Milliarden Euro verdoppelt werden. Um die Bezahlbarkeit von Wohnraum zu gewährleisten und Baukosten zu senken, sollte darüber hinaus verstärkt auf serielles bzw. elementiertes Bauen gesetzt werden“, ergänzten Quast und Hübner.
Im Hoch- und
Wohnungsbau steht darüber hinaus die energetische Sanierung von
Bestandsgebäuden im Fokus der Bauverbände.
Quast und Hübner fordern: „Die steuerliche Förderung, die in der letzten Legislaturperiode zustande gekommen ist, wie auch die Zusammenfassung der Förderung in der Bundesförderung für effiziente Gebäude hat zu einer deutlichen Erhöhung von Förderanträgen geführt. Diesen Weg, zu dem sowohl die Förderung von Einzelmaßnahmen wie auch von Komplettsanierungen gehören, müssen wir weitergehen. Um die gewünschten Emissions-Reduktionsziele im Gebäudesektor zu erreichen, sollte zudem eine Ausdehnung der steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung auf vermieteten Wohnraum mitgedacht werden, um die Sanierungsquoten nachhaltig zu steigern.“
Beide Präsidenten waren sich einig, dass die neue Regierung die besonderen Belange der tarifgebundenen Betriebe besonders berücksichtigen sollte. „Unsere Betriebe leisten den größten Teil der Ausbildung, sie zahlen ihren Beschäftigten Tariflöhne, und sie bauen in aller Regel mit mehr Qualität und Zuverlässigkeit. Das sollte z.B. bei den Vergaben der öffentlichen Hand berücksichtigt werden.“
Quellen: Zentralverband Deutsches Baugewerbe, Hauptverband der Deutschen Bauindustrie
ittelstand in den Fokus rückenZum Auftakt der Arbeitsgruppen, die im Rahmen der Koalitionsverhandlungen tagen, forderte der Vorsitzende der Bundesvereinigung Bauwirtschaft, Marcus Nachbauer, die Koalitionäre auf, die Rahmenbedingungen stabil zu halten. „Das betrifft zum einen die Bauinvestitionen der öffentlichen Hand und zum anderen die investiven Anreize im privaten Bau, sei es im Wohnungsneubau, bei der energetischen Sanierung oder dem Wirtschaftsbau. Denn der Gebäudebereich ist von langen Investitionszyklen geprägt. Nur so können unsere 370.000 Betriebe ihre Kapazitäten ausbauen. Derzeit beschäftigen sie bereits 3,4 Mio. Menschen und mehr als 200.000 Auszubildende.“
Nebenangebote zulassen
Nachbauer wies weiter darauf hin, dass eine hohe Qualität in der Bauausführung bei vernünftigen Preisen nur durch mittelstandsgerechtes Bauen zu erzielen sei. Dabei plädierte er für die Zulassung von Nebenangeboten. „So kann das unternehmerische Knowhow der innovativen und fachkundigen kleinen und mittleren Unternehmen, die sich bei einer funktionalen Ausschreibung nicht am Vergabeverfahren beteiligen können, in öffentliche Bauvorhaben mit einbezogen werden. So entsteht mehr Wettbewerb ohne Mehrkosten. Dieser sichert am Ende eine hohe Ausführungsqualität.“
Wenn der Auftraggeber, sprich: die öffentliche Hand, auch in der Planungsphase auf Wettbewerb setzt, kann er sich das Knowhow verschiedener Planer zunutze machen. So profitiert er sowohl bei der Planung als auch bei der Bauausführung von den vielen innovativen Ideen der mittelständischen Unternehmen. Dabei kommt ihm ein breiter Wettbewerb zugute, der ihm eine preiswerte und qualitativ hochwertige Realisierung seiner Projekte gewährleistet. „Setzt der Auftraggeber seine Projekte nach der beschriebenen Methode um, ist das in der Praxis für ihn rationeller und kostensparender als die funktionale Ausschreibung,“ ist sich Nachbauer sicher.
Sanierungsstau beseitigen
Des Weiteren appellierte Nachbauer an die Unterhändler der drei Parteien, das Gebäude zum Knotenpunkt der Energiewende zu machen. „Denn mModerne Gebäude sind zukünftig nicht mehr nur Wohn- oder Arbeitsraum, sondern sie sind auch Kraftwerk, Energiespeicher und Ladestelle. Neben der dafür notwendigen energetischen Ertüchtigung bedarf es dazu der Modernisierung der elektrischen Anlagen sowie der informationstechnischen Ausstattung. Hier hat sich abseits staatlicher Förderprogramme ein enormer Sanierungsstau aufgebaut, der ebenfalls beseitigt werden muss. Für beide Bereiche, der energetischen Gebäudesanierung wie auch der technischen Ausstattung benötigen wir Anreizprogramme mit klaren Regeln und entsprechenden Laufzeiten.“
Mittelstand in den Fokus rücken
Abschließend forderte Nachbauer eine mittelstandsgerechte Politik in den Fokus der nächsten Jahre zu nehmen. „Denn nur unter Berücksichtigung der innovativen Kraft und sozialen Verantwortung der mittelständischen Unternehmen können die immensen Aufgaben erfolgreich gemeistert werden. Die mittelständischen Unternehmer und Handwerksmeister leben vor Ort und haben daher ein anderes Verantwortungsbewusstsein für die Menschen in ihrer Heimat als anonyme Großkonzerne. Daher ist eine Politik, die den Mittelstand stärkt, die beste Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik.“
Quelle: Bundesvereinigung Bauwirtschaft (BVB)
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