25.08.2021 - Berlin
Die Flutkatastrophe war ein Weckruf, der die abstrakte Gefahr des Klimawandels auf dramatische Weise real gemacht hat. Im Interview erläutert Dr. Ronald Rast von der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau, warum beim Planen und Bauen neben dem Klimaschutz auch das klimagerechte Bauen in den Fokus rücken muss und warum massive Bauweisen widerstandsfähiger gegenüber Extremwetterlagen sind.
Unbewohnbare Häuser, zerstörte Straßen, eingestürzte Brücken, wachsende Schuttberge – Starkregen und Hochwasser haben eine Schneise der Verwüstung in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Bayern hinterlassen. Mit Blick auf die menschlichen Tragödien waren die furchtbaren Überschwemmungen auch ein Weckruf, der die abstrakte Gefahr des Klimawandels auf dramatische Weise real gemacht hat.
Um bestmöglich gegen die Folgen des Klimawandels gerüstet zu sein, wird neben der Klimaneutralität die Klimaresistenz eine immer größere Rolle beim Planen und Bauen spielen. Prinzipiell lässt sich sagen, dass schwere Konstruktionen aus massiven Bauweisen robuster gegenüber Extremwetterereignissen sind. Das gilt sowohl für Starkregen und Hochwasser als auch für Rekordsommer.
Aufgrund ihres Gewichts, das den Auftrieb und damit ein allzu schnelles Wegschwemmen vermindert, halten sie dem Wasserdruck bei Überschwemmungen eher stand. Zudem kann Mauerwerk Wasser aufnehmen und durch Verdunstung wieder abgeben, ohne dass die Stabilität des Gebäudes beeinträchtigt wird. Alle Mauersteinarten – also Ziegel, Kalksand-, Porenbeton- und Leichtbetonsteine – lassen sich trocknen, sodass die Gebäude nach Schönheitsreparaturen wieder uneingeschränkt nutzbar sind.
Laut Hochwasserschutzfibel zählen Mauersteine zu jenen Baustoffen, die im Ernstfall am wenigsten Schäden verursachen. Das höhere Gewicht massiver Konstruktionen zahlt sich aber auch bei extrem hohen oder niedrigen Temperaturen aus. Aufgrund seiner thermischen Speichermasse ist Mauerwerk in der Lage, Hitze im Sommer abzupuffern und Wärme im Winter länger im Gebäude zu halten. Zudem ist die Unbrennbarkeit mineralischer Baustoffe im Fall von Gewitter und Blitzschlag von Vorteil.
Nein, das glaube ich nicht. Die Solidarität mit den von der Flutkatastrophe betroffenen Menschen ist beeindruckend. Jeder hilft jedem und vieles geht, wenn es drauf ankommt, ganz unbürokratisch. Bauverbände und Handwerksorganisationen haben zahlreiche Spendenaktionen gestartet, um mit Geld, Dienstleistungen, Maschinen und Material zu helfen. Auch die Unternehmen der Mauerwerksindustrie unterstützen die Hochwasserregionen mit Materialspenden.
Erstmal geht es darum, den Schutt wegzuräumen, die Infrastruktur wieder zu errichten und Straßen wieder befahrbar zu machen. Was den schnellen Wiederaufbau der Gebäude angeht, bin ich bezüglich weiterer Hilfeleistungen optimistisch. Viele Bauunternehmen und Handwerker wollen ihre Kapazitäten voll auslasten, damit die Menschen schnellstmöglich wieder ein Dach über dem Kopf haben.
Um den Wiederaufbau zerstörter Häuser, Straßen und Brücken trotz angespannter Materiallage stemmen zu können, müssen Politik und Bauwirtschaft Hand in Hand arbeiten. Ich habe von Bauunternehmen gehört, die in Absprache mit ihren Kunden die Häuser von Flutopfern vorziehen werden.
Ebenso sollten öffentliche Bauvorhaben von Bund, Ländern und Kommunen, die nicht zwingend notwendig sind, zurückgestellt werden, um die personellen und materiellen Ressourcen für den Wiederaufbau einsetzen zu können. Hilfreich wäre die Einrichtung eines Wiederaufbaustabes, der die baulichen Maßnahmen koordiniert und die Vergabe von Bauaufträgen unbürokratisch organisiert.
In einer derartigen Ausnahmesituation darf niemand alleine gelassen werden. Um die finanziellen Auswirkungen abzufedern, hat die Bundesregierung einen Wiederaufbaufonds in Höhe von ca. 30 Milliarden Euro beschlossen. Hinzu kommen Geldspenden von Privatleuten und Unternehmen plus Sach- und Materialspenden.
Das wird einen wichtigen Beitrag leisten, um die Infrastruktur und die zerstörten Gebäude trotz gestiegener Materialpreise wieder aufzubauen. Zumal die Preissteigerungen auch nicht alle Baustoffe betreffen. So hat sich Mauerwerk nur um 4 Prozent verteuert. Da wir ausschließlich auf heimische Rohstoffe setzen und nicht von internationalen Wertschöpfungsketten abhängig sind, können wir unsere Produktionskapazitäten auch noch erhöhen und damit Engpässe bei anderen Baustoffen kurzfristig ausgleichen.
Viele Wirtschaftsexperten gehen davon aus, dass die Materialpreise mittelfristig nicht auf das alte Niveau zurückfallen, sondern sich auf den Weltmärkten bei einem spürbaren Plus einpendeln werden. Erschwerende Auswirkungen kann das auf den sozialen Wohnungsbau haben. Laut einer Berechnung des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW konnte man für das gleiche Geld, mit dem man 2010 noch 100 Sozialwohnungen bauen konnte, 2020 nur noch 72 Wohnungen fertigstellen.
Neben Kostensteigerungen, die durch gesetzliche Vorgaben, kommunale Auflagen und hohe Baulandpreisen verursacht werden, dürften die zusätzlichen aktuellen Materialpreissteigerungen dieses Verhältnis weiter verschlechtern.
Zu befürchten ist auch, dass die Eigentumsbildung, die ja nach wie vor der beste Schutz gegen steigende Mieten und Altersarmut ist, zurückgehen könnte, weil sich viele die Finanzierung zu den aktuellen Kosten schlicht nicht mehr leisten können. Der Zwang kostengünstig und langlebig zu bauen, wird in den nächsten Jahren deutlich zunehmen. Die niedrigsten Erstellungskosten pro Quadratmeter Wohnfläche weisen hier sowohl Mehrfamilienhäuser als auch Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäuser aus Mauerwerk auf. Gebäude aus Mauerwerk sind also nicht nur resistent gegenüber Extremwetterlagen, sondern auch kostengünstig.
Zum Beispiel mit Gebäuden aus Mauerwerk. Was viele nicht wissen – über den gesamten Lebenszyklus von 80 Jahren verursachen Mehrfamilienhäuser aus Mauerwerk 4 Prozent weniger CO₂ als vergleichbare Wohngebäude in Holzleichtbauweise.
Gründe dafür sind die längere Lebensdauer, die geringeren Instandhaltungsaufwendungen sowie ein bis zu 12 Prozent geringerer Energiebedarf während der Nutzungsphase. Dieser resultiert aus der Speicherfähigkeit des Materials, die die Wärme in Winter länger im Gebäude hält und die Hitze im Sommer abpuffert. Weniger Energie fürs Heizen und Kühlen führt somit zu einem geringeren CO₂-Ausstoß während der Nutzungsphase. Am Ende des Gebäudelebenszyklus werden mineralische Baustoffe, darunter Mauersteine, übrigens schon heute zu über 90 Prozent wieder- und weiterverwertet – entweder zur Produktion neuer mineralischer Baustoffe oder im Grünflächen-, Sportplatz- und Straßenbau.
Ob Erreichung der Klimaziele, Schonung der natürlichen Ressourcen, Schaffung von bezahlbarem Wohnraum oder klimaresistentes Bauen – Konstruktionen aus Mauerwerk leisten einen nachhaltigen Beitrag zur Lösung der wichtigsten Zukunftsaufgaben. Wir sind zuversichtlich, dass es uns gelingt, bis 2045 klimaneutrale Mauersteine herzustellen. Unsere Industrie treibt entsprechende Investitions- und Forschungsprojekte mit Hochdruck voran. Spätestens dann können wir eine dauerhafte Lösung für klimaneutrales, kostengünstiges und klimaresistentes Bauen der Zukunft anbieten.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und
Wohnungsbau, Fotos: DGfM, Xella
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