18.08.2021 - Berlin
Bundesingenieurkammer und Bundesarchitektenkammer haben ein Positionspapier veröffentlicht, in dem sie fordern, im Koalitionsvertrag der nächsten Bundesregierung einen Prüfauftrag vorzusehen, um sicherzustellen, dass der zunehmenden Komplexität und der klima- und gesellschaftsrelevanten Bedeutung des Planens durch auf Bundesebene einheitlich geregelte Qualifikationsanforderungen an die Erbringung von Planungsleistungen Rechnung getragen wird.
Planungsleistungen von Ingenieuren und Architektinnen sind erfolgskritisch für die Erreichung der Klimaziele und betreffen oftmals Schutzgüter von herausragendem allgemeinem Interesse. Dennoch gibt es keine oder kaum gesetzlich normierte Qualifikationsanforderungen im Planungssektor.
Die Erbringung von Leistungen im Planungssektor und damit in einem Bereich, in dem derart wichtige Güter von Allgemeininteresse betroffen sind, kann aus Sicht von Bundesarchitektenkammer (BAK) und Bundesingenieurkammer (BIngK) nicht weiterhin ohne gesetzlich geregelte qualifikatorische Anforderungen zulässig sein.
BIngK und BAK fordern daher nachdrücklich, im Koalitionsvertrag der nächsten Bundesregierung einen Prüfauftrag vorzusehen, um sicherzustellen, dass der zunehmenden Komplexität und der klima- und gesellschaftsrelevanten Bedeutung des Planens durch auf Bundesebene einheitlich geregelte Qualifikationsanforderungen an die Erbringung von Planungsleistungen Rechnung getragen wird.
Hintergrund
Städtebau, Architektur, das gesamte Bau- und Infrastrukturwesen stehen im Fokus, wenn die Klimaschutzziele erreicht werden wollen. Zugleich muss es darum gehen, die Umwelt schön(er), sicher und gesund zu gestalten. Erreichbar ist dies nur, wenn die Weichen von Anfang an richtig gestellt sind: durch eine entsprechend qualitativ hochwertige Planung, die alle Belange integrativ vernetzt.
Planungsleistungen werden üblicherweise mit Architektinnen, Planern und Ingenieuren in Verbindung gebracht. Hinter diesen Berufsbezeichnungen verbergen sich unterschiedliche Fachrichtungen, die sich mit der gebauten Umwelt befassen. In der Landschafts- und Freianlagenplanung, in der Verkehrsplanung, im Straßen-, Wasser- und Brückenbau, bei Gebäuden, in der Innenraumgestaltung, im Städtebau und in der Stadtplanung sind hochqualifizierte Fachleute damit befasst, unsere Umwelt zu planen, zu konstruieren, zu gestalten und zu sichern.
Die Zulässigkeit der Durchführung von Planungsleistungen ist allerdings nicht auf diese oder andere in gleicher Weise qualifizierte Berufsgruppen beschränkt. Vielmehr steht in Deutschland die Erbringung von Planungsleistungen grundsätzlich jedem offen. Diesen Umstand hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 4.7.2019 (C-377/17) aufgegriffen und hieraus den Schluss gezogen, dass es insoweit bereits an Mindestgarantien mangele, die die Qualität von Planungsleistungen gewährleisten können.
Qualifikationsanforderungen gibt es lediglich für die sogenannte Bauvorlageberechtigung sowie für die sicherheitsrelevanten Bereiche Brandschutz, Standsicherheit und Geotechnik im Rahmen des Bauordnungsrechts der Bundesländer mit unterschiedlichen Anforderungen und ohne bundesweit einheitliche Grundsätze. Die Bauvorlageberechtigung ist lediglich erforderlich, um Genehmigungsplanungen für die Änderung beziehungsweise Errichtung sowie, in einigen Bundesländern, für den Abbruch von Bauwerken als verantwortlicher Planfertiger unterzeichnen zu dürfen.Die derzeitige Einordnung in die Verfahrensvorschriften des Bauordnungsrechts zeigt bereits, dass bei der Bauvorlageberechtigung bislang im Wesentlichen baupolizeirechtliche Belange im Sinne der Gefahrenabwehr für die Allgemeinheit sowie die Nutzer eine Rolle spielen, obwohl sie nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.5.1970 (2 BvR 117/65) eigentlich dem Recht der Wirtschaft nach Art. 74 des Grundgesetzes zuzuordnen ist und daher nicht zwingend auf Landesebene geregelt werden muss.
Die bisherige Sichtweise reicht immer weniger aus, um den gegenwärtigen und erst recht den künftigen Anforderungen an die Gestaltung und Aspekte des nachhaltigen und klimaschonenden Bauens unter gleichzeitiger Berücksichtigung der städtebaulichen Einbindung und der Baukultur Rechnung zu tragen. Durch die zunehmende Ressourcenverantwortung eines jeden Bauherren und Planers für sämtliche eingesetzten Produkte, Stoffe und Materialien verschiebt sich zudem der Schwerpunkt der Planungstätigkeit von jeweils einmaligen, zeitlich begrenzten Vorgängen der Errichtung, Umnutzung oder des Abreißens eines Bauwerks oder Gebäudes hin zur Schaffung geplanter Gebäude- und Lebenszyklusgesamtkonzepten. Gegenwärtige Planung muss im Sinne künftiger Ressourcenschonung bereits dem Grunde nach Basis künftiger Anschlussplanungen, -verwendungen und -verwertungen sein. Für die energetische Gebäudeplanung, das energetische Bauen oder den Schall- und Wärmeschutz haben trotz der gestiegenen Bedeutung des Klimaschutzes und des energieeffizienten Bauens bisher nur wenige Bundesländer Qualifikationen an Planer normiert.
Im Bereich der anderen Planungsdisziplinen gibt es bislang überhaupt keine Qualifikationsanforderungen, obwohl es sich zum Beispiel bei Bebauungs- und Flächennutzungsplänen und bei Satzungen des Besonderen Städtebaurechts um rechtswirksame Planwerke handelt, die oft für Jahrzehnte den Rahmen für die Entwicklung unserer Städte bestimmen. An die Qualität der Ausführung dieser Planwerke sind entsprechend hohe Anforderungen zu stellen, um der erforderlichen Auseinandersetzung mit und der Abwägung von unterschiedlichsten öffentlichen und privaten Belangen, aber auch der gesellschaftlichen Bedeutung dieser Planungen angemessen Rechnung tragen zu können.
Fazit
Der immer dringlichere Klima- und Umweltschutz, Leben und Gesundheit, Qualitätssicherung, Verbraucherschutz, vor allen Dingen aber auch die Baukultur sind Werte und Ziele, die auch und gerade bei Planungsleistungen eine immer wichtigere Rolle spielen. Die verheerenden Starkregen und Flutkatastrophen im Juli des Jahres haben eindrücklich unter Beweis gestellt, dass neben einer möglichst klimaschonenden Planung auch bauliche, städte- und landschaftsplanerische sowie infrastrukturelle Anpassungen an die bereits erkennbaren Auswirkungen des Klimawandels erforderlich sind. Als Herausforderungen sind insbesondere zu nennen:
Die gebaute Umwelt muss an den Klimawandel angepasst und die Infrastrukturen müssen entsprechend ertüchtigt werden. Dies ist mit weiter steigenden Anforderungen an die Qualifikation der Planerinnen und Planer verbunden, die auf Bundesebene gesetzlich festgelegt werden können und sollten. Nur qualifizierte Planerinnen und Planer können diesen Anforderungen gerecht werden.
Forderung
Die Erbringung von Leistungen im Planungssektor und damit in einem Bereich, in dem derart wichtige Güter von Allgemeininteresse betroffen sind, kann nicht weiterhin ohne gesetzlich geregelte qualifikatorische Anforderungen zulässig sein.
Bundesarchitektenkammer und Bundesingenieurkammer fordern daher nachdrücklich, im Koalitionsvertrag der nächsten Bundesregierung einen Prüfauftrag vorzusehen, um sicherzustellen, dass der zunehmenden Komplexität und der klima- und gesellschaftsrelevanten Bedeutung des Planens durch auf Bundesebene einheitlich geregelte Qualifikationsanforderungen an die Erbringung von Planungsleistungen Rechnung getragen wird.
Quelle: Bundesingenieurkammer
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