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Wie kann man Starkregen und seinen Auswirkungen in der baulichen Gestaltung begegnen?

Ein Beitrag von Prof. Dr. Norbert Gebbeken

03.08.2021 - München

Wie kann man Starkregen und seinen Auswirkungen in der baulichen Gestaltung begegnen?

Gerade in den Sommermonaten kommt es in Verbindung mit Unwettern oder Gewittern immer öfter zu Starkregen, der zu Sturzfluten führen kann. Die Wetterextreme häufen sich und erreichen in ihrer Intensität eine ganz neue Dimension. Die Konsequenzen: immense Sachschäden und großes menschliches Leid. Wie kann man diesem Phänomen in der baulichen Gestaltung begegnen? Welche Maßnahmen sind möglich? Damit beschäftigt sich Prof. Dr. Norbert Gebbeken in diesem Beitrag.

Die vergangenen Wochen haben uns leidlich vor Augen geführt, dass es insbesondere in Hanglagen und Tallagen zu Sturzfluten kommen kann, die selbst Fachleute erstaunen lässt. Die Intensität der Starkregen erfährt eine neue Dimension. Die Sachschäden und das menschliche Leid sind unermesslich. Sturzfluten treten nicht nur in der Alpenregion auf, sondern auch im vermeintlichen Flachland.

Eigentlich haben wir alle es schon erlebt. Wir sitzen gemütlich im Biergarten und wie aus dem Nichts kommt ein Sturm auf und ein Wolkenbruch prasselt auf uns herunter. Innerhalb weniger Minuten steht man knöcheltief im Wasser und Martinshörner künden von Einsätzen der Polizei und Feuerwehr. Auf dem Weg nach Hause müssen Umwege gefahren werden, weil Unterführungen vollgelaufen oder Bäume umgestürzt sind. Beim Telefonat mit Freunden im angrenzenden Stadtviertel erfahren wir, dass man dort gänzlich verschont geblieben ist.

In den Abendnachrichten sieht man dann die Auswirkungen des Starkregens: Entwurzelte Bäume, überflutete Keller und Unterführungen, Unfälle durch hochgedrückte Gullideckel und Aquaplaning, abgedeckte Hausdächer, u.s.w.. Dabei war am Vorabend in den Nachrichten noch die Rede von Extremhitze und Dürre und deren Auswirkungen auf Natur und Grundwasser.

Wetterextreme häufen sich

Offensichtlich haben wir es mit Wetterextremen zu tun, die sich sowohl häufen als auch intensiver werden. So wird es z. B. vom Deutschen Wetterdienst bestätigt. Besonders gravierend sind die Auswirkungen von Wetterextremen in besiedelten Hang- und Tallagen und in Städten, die stark versiegelt sind und wachsen.

Seit 2008 lebt mehr als die Hälfte der Menschen in Städten, Tendenz stark steigend. Neben den Starkregenereignissen stellt das Aufheizen der Städte ein weiteres Problem dar. Inzwischen gibt es an medizinischen Fakultäten Lehrstühle, die sich mit den gesundheitlichen Folgen von Ozon und Hitze in Städten und Wohnungen beschäftigen.

Nun müssen wir uns die banale Erkenntnis vergegenwärtigen, dass die Natur immer natürlich ist. Sie kann nicht anders als natürlich sein. Wieso kommt es dann zu Naturkatastrophen? Leben wir im Einklang mit der Natur? Haben wir Natur verstanden? Setzen wir uns bewusst oder unbewusst Naturextremen aus, die für uns Menschen eine Gefahr darstellen? Wenn dem so ist, dann verantworten wir Menschen sämtliche Naturkatastrophen.

Wenn wir klug sind, dann setzen wir uns einer Gefahr nicht aus, wir weichen ihr aus. Bei Bestandsinfrastrukturen müssen wir anpassen und bei Schutzbauten widerstehen: Ausweichen, Anpassen, Widerstehen. Wie können wir baulich agieren und reagieren?

Hoher Grad der Versiegelung

Vor dem Hintergrund der Folgen des Klimawandels müssen wir Architekten und Bauingenieure uns fragen, wie wir dieser Veränderung durch die bauliche Gestaltung der Umwelt begegnen können.

Ein großes Problem ist der hohe Grad der Versiegelung von Flächen. Er führt dazu, dass das Wasser nicht mehr zurückgehalten werden kann. Straßenquerschnitte und die Mischwasserkanalisation können die Regenmassen nicht abführen. Somit kommt es zu Überflutungen, Sturzfluten und Sekundärgefährdungen durch z. B. hochgedrückte Gullideckel, Verunreinigungen etc. Die Versiegelung besteht häufig aus undurchlässigem Asphalt und Beton. Die Oberflächen sind dunkel und tragen deshalb zur Überhitzung der Städte bei.

Fragt man nun Experten, die sich mit dem Kühlen der Städte wissenschaftlich beschäftigen, dann erfährt man, dass hierfür Wasser und Grün benötigt wird. Und wir lernen daraus, dass wir den Regen, auch den Starkregen, möglichst lange zurückhalten und speichern müssen. Dann können wir bei Dürre Pflanzen und Bäume bewässern und durch Verdunstung kühlen.

Trennung der Kanalisationsinfrastruktur

Somit ergeben sich für uns Architekten und Bauingenieure drängende und wichtige Zukunftsaufgaben. Wir müssen versiegelte Flächen entsiegeln oder zumindest perforieren. Die Kanalisationsinfrastruktur muss in Schmutzwasser und Brauchwasser getrennt werden. Straßenquerschnitte sind so anzulegen, dass sie Regenwasser sammeln und abführen und es möglichst in Teichen oder Zisternen speichern können. Dächer von Häusern und Industrieanlagen sowie Fassaden sollten begrünt werden. Es gibt inzwischen Beispiele für urbanes vertikales Gärtnern.

Das Baurecht sollte vorsehen, dass ab einer bestimmten Anzahl von benötigten Parkplätzen Parkhäuser vorgeschrieben werden, anstatt große Flächen zu versiegeln. Diese Parkhäuser können mit Zisternen, Grün, Solar- und Klimatechnik versehen werden und somit Wasser speichern, Kühlen und Strom erzeugen.

Wassersensible Siedlungsentwicklung: Aufgaben interdisziplinär lösen

Dies sind nur wenige Beispiele. Technisch können wir also sehr viel tun, um dem Klimawandel zu begegnen. Um die anstehenden Aufgaben interdisziplinär zu lösen, haben sich die Bayerische Architektenkammer, die Bayerische Ingenieurekammer-Bau, das Landesamt für Umwelt, die deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall und der Baugewerbeverband zusammengeschlossen. Auch die Universität der Bundeswehr München ist mit dem Forschungszentrum RISK und der Forschungsgruppe BauProtect an diversen Projekten beteiligt. Im Januar 2021 wurde ein Leitfaden „Wassersensible Siedlungsentwicklung“ vorgestellt, der kostenfrei online verfügbar ist.

Leitfaden „Wassersensible Siedlungsentwicklung“

Weitere Informationen:

www.bayika.de/de/aktuelles/meldungen/2021-01-27_Neuer-Leitfaden-Wassersensible-Siedlungsentwicklung.php


Prof. Dr. Norbert Gebbeken 
Prof. Dr. Norbert Gebbeken

Ein Beitrag von Prof. Dr. Norbert Gebbeken (Exzellenter Emeritus der Fakultät für Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften, Leiter der Projektgruppe „BauProtect“, Vorsitzender des Forschungszentrums „RISK“ und Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau)

Weitere Informationen zum Forschungszentrum RISK und zur Forschungsgruppe BauProtect finden Sie hier:

Forschungszentrum RISK

Forschungsgruppe BauProtect

Quelle: Universität der Bundeswehr München, © Fotos: Stefan Bernmann / Pixabay.com; Markus Distelrath / Pixabay; PublicDomainPictures / Pixabay.com; Markus Lehner / Pixabay.com; stux / Pixabay.com; Gerd Altmann/ Pixabay.com; Tobias Hase

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