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Deutscher Ingenieurbaupreis 2020: Auszeichnung für Holzschale der Synagoge in Regensburg

Kammerpräsident Prof. Dr. Norbert Gebbeken (im Foto rechts) überreicht Urkunde an Dr.-Ing. Thomas Gollwitzer

14.12.2020 - München

Deutscher Ingenieurbaupreis 2020: Auszeichnung für Holzschale der Synagoge in Regensburg

Der Deutsche Ingenieurbaupreis 2020 ging an die Kienlesbergbrücke in Ulm. Auch das bayerische Projekt „Holzschale der Synagoge in Regensburg“ unserer Kammermitglieder Dr. Gollwitzer - Dr. Linse Ingenieure mbH wurde gemeinsam mit vier weiteren Projekten ausgezeichnet. Da die Preisverleihung in Berlin wegen Corona leider ausfallen musste, ließ es sich Prof. Dr. Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, nicht nehmen, die Urkunde persönlich an den Münchener Holzbauexperten Dr.-Ing. Thomas Gollwitzer zu überreichen.

Die Form der extrem schlanken Holzkuppel ist ein Kugelausschnitt mit einem Radius von 25 Metern und einem Stich von ca. 1,64 Metern. Der Kugelausschnitt wurde an den Kanten eines einbeschriebenen Quadrates mit einer Seitenlänge von 13 Metern vertikal abgeschnitten. Die Schale besteht aus doppelt gekrümmten Einzelsegmenten aus 12,6 Zentimeter dickem Brettsperrholz. Im Computer wurde ein digitaler Zwilling erstellt. Mit ihm konnte die Vorfertigung mit Hilfe einer CNC-Maschine erfolgen. Die Montage erfolgte in nur zwei Wochen.

Der Jury zum Deutschen Ingenieurbaupreis 2020 unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Dr. E.h. Dr. h.c. Werner Sobek gehörte u.a. auch Kammerpräsident Prof. Dr. Norbert Gebbeken an:

  • Christine Hammann, Abteilungsleiterin BW im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Berlin
  • Dr.-Ing Ralf Ruhnau, für die Bundesingenieurkammer e.V. Berlin
  • Prof. Dr.-Ing. Gudrun Djouahra, Saarbrücken
  • Prof. Dr.-Ing. Norbert Gebbeken, München
  • Dr.-Ing. Jeannette Ebers-Ernst, Hannover
  • Prof. Dr. Dr. E.h. Dr. h.c. Werner Sobek, Stuttgart
  • Prof. Dr.-Ing. habil. Natalie Stranghöner, Essen

Stellvertretende Jurymitglieder: Dr.-Ing. Christian Müller, Berlin und Petra Wesseler, Präsidentin des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, Berlin. Lesen Sie hier auch unseren Bericht zum Deutschen Ingenieurbaupreis 2020.


Jüdisches Gemeindezentrum mit Synagoge

Doppelt gekrümmtes Brettsperrholz für die Dachschale

Die Kuppel der Synagoge ruht auf vier Eckstützen aus Stahl. Ihre Form entspricht einem Kugelausschnitt mit einem Radius von 25 Metern und einem Stich von etwa 1,64 Metern, der an den Kanten eines einbeschriebenen Quadrats mit einer Seitenlänge von 13 Meter vertikal abgeschnitten wurde.

Die Schale besteht aus 20 doppelt gekrümmten Einzelsegmenten aus 12,6 Zentimeter dickem Brettsperrholz, die in der Grundrissprojektion dreiecksförmig sind und im höchsten Punkt der Kuppel wie "Orangenschnitze" zusammentreffen. Es gibt fünf unterschiedlich geformte Segment-Typen, die jeweils einen Kuppel-Quadranten ausbilden. Um sie transportieren zu können, sind ihre Außenmaße auf 9 Meter Länge und 2,35 Meter Breite begrenzt – die Ecksegmente etwa erreichen diese Größe.

Alle Dachsegmente bzw. -elemente bestehen aus sieben kreuzweise verklebten Brettlagen. Da konstant breite Brettstreifen auf einer doppelt gekrümmten Oberfläche nicht parallel zueinander verlaufen können, ergeben sich – ungewollt, aber zwangsweise – klaffende Fugen. Die Kuppelinnenseite erhielt daher zur optischen Glättung zusätzlich eine aufgeleimte, 15 Millimeter dünne, weiß lasierte Fineline-Furnierschicht aus hochkant und damit leicht formbaren Furnierlagen.

Eingerahmt wird die Kuppel von vier bogenförmigen Stahlprofilen (HEB 160), die in den Ecken von eingespannten Stützen aus Stahlrundrohr gehalten werden. Die etwa 5,5 Meter langen Stützen stehen auf der Synagogenempore. Horizontal sind sie zusätzlich am Betonflachdach gehalten, so dass sie statisch als 2,5 Meter lange Kragarme mit einer Einspannlänge von 3 Metern wirken. Als einzige horizontale Halterung der Kuppelschale wären sie jedoch zu weich gewesen, das heißt eine dünne Schale mit einer Schlankheit h/L von 100 und einem solch flachen Stich lässt sich nicht alleine durch die auskragenden Stützen stabilisieren.

Daher wurden knapp unterhalb der Stützenköpfe umlaufend Zugstäbe angeordnet, die das Gesamtsystem zusammenspannen, die Stützenköpfe in ihrer Lage halten und den allseitigen Horizontalschub aus der Kuppel aufnehmen. So lagert die Holzschale für den Betrachter unsichtbar auf eingelassenen Stahlträgern (R = 23,90 Meter). Die Zugstäbe dagegen konnten die Architekten geschickt hinter der Glasfassade verstecken.

Dreidimensionale Modellierung für perfekte Passgenauigkeit

Zur Herstellung der Brettsperrholz-Elemente erarbeitete man für die Werkstattplanung ein 3D-CAD-Modell der Dachkonstruktion. Nicht nur lieferte es deren exakte Abmessungen bzw. Geometrien samt Verschraubungen, Bohrungen, Falze und sonstiger Bearbeitungen für den CNC-Abbund (Maschinenzuschnitt), sondern auch alle anderen Eingangsgrößen für die Fertigung bzw. den Schablonenbau zur Fertigung.

Das Computer-Modell enthielt außerdem alle Informationen zum Stahlbau. Nur so ließ sich sicherstellen, dass Stahlkonstruktion und Holzschale auf der Baustelle auch perfekt ineinandergreifen.

In zwei Wochen vor Ort montiert

Die Fertigung der doppelt gekrümmten Brettsperrholz-Segmente erfolgte im Werk von ZÜBLIN Timber in Aichach, bei dem zum Zeitpunkt der Planung einzigen Hersteller mit allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung für gekrümmtes Brettsperrholz. Dabei wurden die sieben Schichten von je 1,8 Zentimeter Dicke auf einem Leergerüst kreuzweise miteinander verklebt, mit Vakuumdruck verpresst und mit einem 3D-Roboter zugeschnitten.

Auf der Baustelle hat man die Einzelsegmente dann mithilfe eines zentralen Gerüstturms in den zuvor montierten Stahlrahmen eingepasst, das heißt sukzessive aneinandergereiht und durch den vorgefertigten Auflagerschlitz am Randträger passgenau positioniert. Eine besondere Formgebung des letzten Elements ermöglichte das formschlüssige Einfügen, dann folgte der zentrische “Schlussstein” von oben.

Die Ringzugkräfte der Dachschale werden am Schalenrand über lange Vollgewindeschrauben im Hirnholz annähernd ihrer Wirkungsrichtung unter einem Winkel von 45 Grad im Randträger verankert. Die an den Längsstößen (im Grundriss sternförmig) stumpf gestoßenen Elemente sind mit kreuzweise angeordneten Doppelgewindeschrauben unter einem 30-Grad-Winkel miteinander “vernäht”. Diese Verschraubungen nehmen auch die Membranzug-, die Scheibenschub- und die Plattenschubkräfte auf. Die Doppelgewinde der Schrauben erzeugen außerdem eine gewisse konstruktive Vorspannung und überdrücken den Stoß. Dies ist erforderlich, um der „Scharniergelenk“-Wirkung der Stöße und damit einem Ausbeulen bzw. einer Faltung der Dachschale entgegenzuwirken. Als zusätzliche Stabilisierung dienen die quer dazu angeordneten, ebenfalls radial gekrümmten Dämmsparren.

Ausgesteift wird die montierte Kuppel durch zwei Rauschalungslagen von je 2 Zentimeter; Fugen zwischen den Einzelbrettern sind auf der Kugeloberfläche unvermeidlich, aber zulässig und wurden genutzt, um Beleuchtungskabel darin zu verlegen. Die Schalungslagen übernehmen zusätzlich einen Teil der Membrankräfte. Die rechnerisch maximal vertikale Verformung der Schale lag bei 30 mm, was einem L/400 entspricht, und zwar ohne die aussteifende Schalung mitanzusetzen. Nach dem Entfernen des Montagegerüsts baute sich der planmäßige Spannungszustand auf und die Schale trägt sich selbst. Alles in allem betrug die Montagezeit zwei Wochen.

 

Jüdisches Gemeindezentrum mit Synagoge in Regensburg

Bauzeit:
8/2016–2/2019

Bauherr:
Jüdische Gemeinde Regensburg (K. d. ö. R.)

Architekten + Ingenieure:
Tragwerksplaner Holz-Dachschale: Dr. Gollwitzer - Dr. Linse Ingenieure, München
Tragwerksplaner Massivbau: Ing.-Büro Drexler + Baumruck, Straubing
Architekten: Staab Architekten, Berlin

Bauleitung:
Ernst2 Architekten

Haustechnik:
WBP Winkels Behrens Pospich, Münster, und Melzl Planung GmbH, Pentling
Brandschutz:
ASW Wolf + Partner Architekten mbH, Regensburg
Wärmeschutznachweis, Raum- und Bauakustik:
ARUP Deutschland GmbH, Berlin

Bauausführung:
Fertigung Brettsperrholz-Elemente: ZÜBLIN Timber GmbH, Aichach
Ausführung/Montage Holz-Dachschale: Ihr Tischler, Harth-Pöllnitz
Werkstattplanung Holz-Dachschale: Imagine Computation GmbH, Frankfurt a. M.

Redaktion: Jan Struck / Bayerische Ingenieurekammer-Bau, Quelle Text Jüdisches Gemeindezentrum mit Synagoge: Dr. Thomas Gollwitzer, Susanne Jacob-Freitag; © Fotos: Dr. Gollwitzer - Dr. Linse Ingenieure mbH; BIngk; Marcus Ebener (3x); Stefan Katzlinger/Marcus Ebener; Dr. Gollwitzer - Dr. Linse Ingenieure mbH (2x)

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