19.08.2020 - München
Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau feierte am 1. Juli 2020 ihren 30. Geburtstag. Stiller und leiser als wir uns das eigentlich gewünscht hatten, ein „Corona-Geburtstag“, wie ihn so viele in diesem Jahr feiern mussten. Aber die Freude über unseren „Runden“ konnte uns Corona nicht nehmen. Anlässlich des Jubiläums haben sich Kammerpräsident Prof. Dr. Norbert Gebbeken und Pressereferentin Sonja Amtmann in einem Artikel für das Deutsche Ingenieurblatt Gedanken darüber gemacht, wie Kammern in der heutigen Zeit zukunftsfähig werden.
Wir möchten unser Jubiläum zum Anlass nehmen, zu reflektieren, was uns auszeichnet, wo unsere Stärken liegen und wie wir, ob in Bayern oder anderswo, agieren müssen, um langfristig Erfolg zu haben.
Am 1. Juli 1990 trat das Kammergesetz in Kraft - die
Bayerische Ingenieurekammer-Bau war geboren. Damit gab es nach langen Jahren
der Vorarbeit endlich eine gesetzlich begründete Vertretung der bayerischen Ingenieurinnen
und Ingenieure im Freistaat.
Fast 20 Jahre lang kämpften die Gründungsväter der Kammer dafür. 1972 formierte sich der „Arbeitskreis Bayerische Ingenieurkammer“, der mit langem Atem und Weitsicht das Ziel verfolgte, auch den am Bau tätigen Ingenieurinnen und Ingenieuren im Freistaat eine Berufsvertretung, eine Heimat, zu geben.
Lange sperrte sich die Politik dagegen. Immerhin gab es
bereits die Bayerische Architektenkammer, und die müsse doch genügen. Das
Konstrukt Kammer sei ohnehin nicht mehr zeitgemäß, meinten einige – in den 1970er
und 1980er Jahren wohlgemerkt.
Doch der Arbeitskreis Bayerische Ingenieurkammer
unter dem Vorsitz unseres späteren Gründungspräsidenten Prof. Dr. Günter Scholz
wurde nicht müde, wieder und wieder den Nutzen einer „Großen Kammer“ zu erläutern.
Einer Kammer, in der die Anliegen von Freiberuflern, Angestellten und Beamten gleichermaßen vertreten werden. Einer Kammer, die genau deshalb stark ist, weil sie nicht homogen ist, weil sich die verschiedenen Gruppen zusammensetzen müssen, diskutieren müssen, Lösungen finden müssen, die zum Nutzen aller sind.
Davon profitieren wir in vielfacher Hinsicht. Nach innen,
indem Auftraggeber und Auftragnehmer in gemeinsamen Gesprächen ein besseres
Verständnis beim jeweiligen Gegenüber für ihre Sichtweise erlangen und mit diesem
Wissen besser partnerschaftlich zusammenarbeiten können. Nach außen, weil wir
sowohl gegenüber der Politik als auch den Medien und der breiten Öffentlichkeit
als „Große Kammer“ glaubhaft sind.
Man sieht uns nicht als Lobbyisten, die auf
Biegen und Brechen ihren Standpunkt durchdrücken wollen. Man sieht uns als
Zusammenschluss verschiedener Interessensgruppen, die konstruktiv miteinander
daran arbeiten, die beruflichen Rahmenbedingungen aller ihrer Mitglieder zu
verbessern.
Diese Argumente überzeugten schlussendlich auch den Bayerischen Landtag. Dass wir ans Ziel gekommen sind, ist ein großes Verdienst unseres langjährigen Präsidenten Prof. Dr. e.h. Dipl.-Ing. Karl Kling. Der schwäbische Ingenieur war zugleich Landtagsabgeordneter und warb bei seinen Kollegen im Parlament, insbesondere bei Franz Josef Strauß, wieder und wieder für unsere Kammer. Am Ende mit Erfolg.
Bereits aus den langen Jahren bis zur Geburtsstunde der Kammer können wir Lehren ziehen für unsere heutige Arbeit: Gute Argumente allein reichen nicht. Es braucht Menschen, die mit Kommunikationsgeschick und Ausdauer die Positionen, die für uns so klar sind, so eindeutig, argumentativ stichhaltig und zielgruppengerecht darlegen und mit lebensnahen Beispielen veranschaulichen. Wieder und wieder. Steter Tropfen höhlt den Stein. Nur so können wir andere überzeugen.
Der Erkenntnis, von welch großem Wert die Kommunikation ist, ist es geschuldet, dass unser Bereich Kommunikation Marketing Bildung in der Geschäftsstelle inzwischen sieben Mitarbeiter*innen umfasst. Eine stolze Zahl. Eine Zahl, auf die wir stolz sind. Wir haben Expert*innen für den Fortbildungsbereich, für das Veranstaltungssegment, für die Pressearbeit und für Social Media. Warum? Weil wir nur so unsere Themen passgenau an den Mann und die Frau bringen. Weil wir nur so unsere Stakeholder bei der Stange halten und neue Zielgruppen, insbesondere die Jugend, erschließen können.
Wir müssen uns immer wieder vor Augen halten: Die Mitgliedschaft bei uns ist freiwillig. Das heißt, Mitglied wird nur, wer einen Mehrwert für sich sieht, in dem, was wir tun. Und wenn jemand einmal Mitglied geworden ist, heißt das nicht, dass er uns ein Leben lang treu bleiben wird. Es sei denn, wir bieten ihm etwas.
Glücklicherweise ist unsere Kammer
kontinuierlich gewachsen. Das kann sich aber schnell ändern, wenn wir nicht
stets die Interessen unserer Mitglieder im Blick behalten und unser Angebot,
unseren Service, konsequent darauf ausrichten.
Wir brauchen immer wieder neue Ideen, um attraktiv zu bleiben, um zukunftsfähig zu sein. Eine Kammer, die nur ihr Kerngeschäft der Listeneintragung erfüllt und Stempel verschickt, hat keine Zukunft.
Unsere oberste Aufgabe ist es,
das Ohr am Mitglied zu haben. Die Sorgen, Wünsche, Nöte, Bedürfnisse und Anregungen
der Mitglieder hören, sich proaktiv danach zu erkundigen, das ist unser Job.
Wir müssen uns so aufstellen, wie es die Mitglieder brauchen. Wir müssen eine Dialogkultur
etablieren und leben. Es ist unsere Aufgabe, Gesprächsangebote zu machen und
immer wieder auf verschiedene Weisen zu erneuern.
Das klingt erst einmal gar nicht so schwer. Doch einfach ist es nicht. Es kann nicht funktionieren, mal sinngemäß auf die Homepage oder in die Mitgliederzeitschrift zu schreiben: „Sprecht uns an“.
Wir Kammern sind qua Satzung sehr
hierarchisch organisiert. Und zumindest in den Anfängen der Kammerzeit wurde
das auch so gelebt. Da darf es nicht überraschen, wenn das durchschnittliche
Mitglied, das keinen von uns Ehrenämtlern persönlich kennt, uns als
„Großkopferte“, wie wir in Bayern sagen, wahrnimmt. Als jemand, an den man eh
nicht rankommt.
Diese oft gefühlte, selten ausgesprochene Barriere gilt es zu
durchbrechen. Mit konkreten, niederschwelligen Angeboten. Bei uns ist es
beispielsweise üblich, dass bei Regionalveranstaltungen immer ein
Vorstandsmitglied dabei ist und direkt vor Ort das Gespräch mit den Mitgliedern
sucht.
In vielen Fällen sind auch unsere
Mitarbeiter*innen eine Brücke zu den Mitgliedern. Ob Mitgliederservice,
Ingenieur- und Rechtsberatung, Akademie, Buchhaltung, Öffentlichkeitsarbeit
oder Zentrale – sie alle haben täglich Mitgliederkontakt.
Sie sind oft die Ersten, die erfahren, wo unseren Mitgliedern der Schuh drückt, was ihnen an ihrer Kammer gefällt und was nicht.
Und hier kommen wir zum zweiten großen Punkt, der darüber entscheidet, ob wir Kammern auch künftig Erfolg haben werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geschäftsstelle.
Wir müssen uns Eines klar machen: wir sind kein hippes Start-up, kein internationaler Konzern, der den Angestellten die Möglichkeit bietet, die Luft der großen weiten Welt zu schnuppern.
Eine „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ – das klingt leider gar nicht spannend, sondern eher nach „dröger“ Verwaltungstätigkeit.
Diese Hürde haben wir schon zu überwinden, wenn wir eine Stelle ausschreiben. Ist es uns dann aber gelungen, qualifizierte Menschen einzustellen, werden wir sie nicht mit einem Führungsstil von gestern halten können. Moderne Führung bedeutet, dass wir offen sind für Hinweise, Anregungen und auch Bedenken von Mitarbeitern. Keiner von uns hat die Weisheit in die Wiege gelegt bekommen. Offene Kommunikation, Transparenz, gegenseitiges Vertrauen, Identifikation mit den gesteckten Zielen sind das Erfolgsrezept.
Die Ingenieurekammern werden von Ingenieur*innen geführt. Das ist gut so. Aber wir müssen uns auch klar machen: Ingenieur*innen sind Fachleute fürs Bauen. Keine Fachleute für all die vielen Bereiche, die die Geschäftsstelle abdeckt. Die Ehrenamtler sind gut beraten, sich auf Augenhöhe mit den verschiedenen Abteilungen auszutauschen.
Kein Vorstand, kein Gremiumsmitglied,
bricht sich einen Zacken aus der Krone, wenn er eine*n Mitarbeiter*in um eine
Einschätzung bittet oder im Gespräch mit ihr oder ihm auch mal die eigene,
ursprüngliche Meinung ändert. Das ist kein Zeichen von Schwäche.
Ganz im Gegenteil. Deshalb machen wir auch gemeinsame Coaching-Klausuren – Ehrenamt gemeinsam mit Hauptamtlichen – mit Profis für den Blick von außen.
Bei uns ist es üblich, dass die
Mitarbeiter*innen in den Vorstandssitzungen an den TOPs teilnehmen, die ihren
Arbeitsbereich betreffen. Wer Interesse hat, kann auch bei den TOPs anderer
Bereiche dabei sein. Wir sind eine offene Kammer. Der Vorstand hört gerade bei
kontroversen Themen die Mitarbeitermeinung an und entscheidet dann. Das ist bei
uns schon lange gelebte Normalität.
Das Hauptamt weiß, dass seine Sicht ernst genommen wird und schätzt den direkten Austausch. Die Mitarbeiter*innen bringen ihrem Vorstand Vertrauen entgegen, weil er ihnen vertraut. Ein wertschätzendes Miteinander statt dem Prinzip „Ober sticht Unter“ sorgt für ein offenes Arbeitsumfeld, in dem kreative Ideen entstehen und die Mitarbeiter*innen sich mit „ihrer“ Kammer identifizieren.
Eindrucksvoll hat sich dies in
der Corona-Krise bestätigt. Wie alle anderen Unternehmen und Institutionen auch
wurden wir von Corona überrumpelt. Mit einem Schlag wurde das berufliche und
private Leben durch staatliche Regelungen stark eingegrenzt.
Das war richtig und wichtig, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Aber es hatte große emotionale und soziale Auswirkungen. Angst vor Ansteckung, Angst vor Einsamkeit, Arbeiten und Homeschooling parallel managen, nicht wissen, wie es weitergeht. Für die Bayerische Ingenieurekammer-Bau waren drei Dinge sofort klar:
1. Gesundheit geht vor.
2. Wir wollen und müssen unseren
Mitgliedern und Partnern weiterhin schnell und verlässlich zur Seite stehen.
3. Wir sind uns sicher, dass alle
in unserer Kammer an einem Strang ziehen – auch wenn der Laptop nun am
Küchentisch steht und bei Videokonferenzen im Hintergrund mal eine Katze durchs
Bild stolziert. Ab Mitte März haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter daher
mobil gearbeitet.
Rückblickend zeigt sich: wir sind ohne nennenswerte Reibungsverluste durch den Lockdown gekommen. Das war nicht selbstverständlich. Funktionierende Technik war ein wesentlicher Faktor dafür, dass wir eine positive Bilanz ziehen können. Die Digitalisierung haben wir in den vergangenen Jahren massiv vorangetrieben und konnten nun die Früchte unserer Arbeit ernten: Wir waren jederzeit füreinander, für unsere Mitglieder und für Externe erreichbar.
Wir haben vor zwei Jahren bereits ein digitales Dokumentenmanagementsystem eingeführt, auf das alle, auch von zu Hause aus, bequem zugreifen und gemeinsam an Projekten arbeiten konnten. In geringem Umfang mussten wir noch in neue, zusätzliche Hard- und Software investieren. Die technischen Voraussetzungen, um weiterarbeiten zu können, waren also schnell geschaffen. Viel wichtiger war aber die menschliche Seite.
Wir sind überzeugt davon, dass
jene Unternehmen am besten durch die Krise gekommen sind, die großes Vertrauen
in ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesetzt und ihnen den Spielraum
gegeben haben, den sie benötigen.
Vertrauen führt aber nicht nur in
„Corona-Zeiten“ zum Erfolg. Ein Mitarbeiter, der Vertrauen spürt, dem man nicht
ein für sie oder ihn unpassendes Korsett überstülpt, ist seinem Unternehmen
emotional ganz anders verbunden.
Und das wiederum zeigt sich in Gesundheit,
Zufriedenheit, hoher Leistungsbereitschaft und guten Arbeitsergebnissen.
Maschinen und KI können inzwischen zwar viele Aufgaben übernehmen und es werden noch mehr werden. Aber sie werden den Menschen nie ersetzen. Der Mensch ist unsere wichtigste Ressource. Der Mensch wird immer den Unterschied machen.
Lasst uns vertrauensvoll, partnerschaftlich und wertschätzend miteinander umgehen. Nicht nur in der Kammer. Dann können wir hoffnungsfroh die Zukunft gestalten.
Gastartikel von Prof. Dr. Norbert Gebbeken, Präsident der
Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, und Pressereferentin Sonja Amtmann für das
Deutsche Ingenieurblatt, Ausgabe 07/08-2020, www.deutsches-ingenieurblatt.de
Zum 30-jährigen Jubiläum gabes 2 Wochen lang jeden Tag ein neues Kurz-Video. Klicken Sie einfach auf das Foto und besuchen Sie uns auch auf unseren Social Media-Kanälen!
© Titelfoto: Tobias Hase, weitere Fotos: BayIKa-Bau
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