23.06.2020 - München
Bauen für und in Bayern: Mit der Neufassung der Bayerischen Bauordnung soll das in Zukunft leichter und schneller gehen. Der Ministerrat hat die Novelle der BayBO in seiner Sitzung am 23. Juni 2020 beschlossen. Nun ist der Landtag am Zug. Bayerns Bauministerin Kerstin Schreyer sagt: „Mit unserer Novelle schaffen wir ein modernes Baurecht für Bayern. Wir beschränken die Vorgaben auf das Notwendige – schließlich wollen wir beim Bauen und Wohnen vorankommen.“ Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau hatte Ende Januar im Rahmen der Verbandsanhörung eine Stellungnahme abgegeben.
Einer der Hauptpunkte der Novelle ist die sogenannte Genehmigungsfiktion. Damit sollen Bauvorhaben im Bereich des Wohnungsbaus deutlich schneller genehmigt werden können. Ministerin Schreyer betont: „Wir machen es Bauherren so leicht wie möglich. Für die meisten geplanten Wohngebäude gilt künftig: Wenn sich die Baugenehmigungsbehörde drei Monate nach dem Einreichen des Bauantrags nicht meldet oder anders entscheidet, gilt der Antrag automatisch als genehmigt. Wir denken beim Bauen vom Menschen her und beschleunigen die Verfahren deswegen massiv.“
Mit der Novelle der Bayerischen Bauordnung wird auch das Abstandsflächenrecht deutlich vereinfacht. Die Abstandsflächen werden auf 40 Prozent der Wandhöhe reduziert, in Gewerbe- und Industriegebieten sogar noch weiter. „Damit fahren wir den Flächenverbrauch stark zurück. Mir ist aber wichtig, dass das verträglich ist. Deshalb bleibt ein Mindestmaß von drei Metern. Gemeinden können wie bisher auch größere Abstandsflächen in einer Satzung festlegen“, so Ministerin Schreyer.
Darüber hinaus wird das Bauen mit Holz erleichtert. Es kann künftig in allen Gebäudeklassen verwendet werden. Schreyer: „Damit machen wir Holz als Baustoff deutlich attraktiver und das Bauen dadurch nachhaltiger.“
Außerdem wird es für Bauherren günstiger. Die
neue Bayerische Bauordnung sieht etwa vor, dass die Kommunen die
Stellplatzpflicht flexibler regeln können, weil sie zum Beispiel alternative
Mobilitätskonzepte berücksichtigen können.
Für den Ausbau von Dachgeschossen ist künftig keine Genehmigung mehr nötig. Außerdem soll die Pflicht zum Einbau eines Aufzugs wegfallen, wenn der Aufwand dafür unverhältnismäßig groß wäre. Bauministerin Kerstin Schreyer: „Mit der Bauordnungsnovelle setzen wir also konsequent auf Vereinfachung und Beschleunigung für die Bürgerinnen und Bürger Bayerns, für einen einfachen und schnellen Wohnungsbau.“
In der Bayerischen Bauordnung sind das
Verfahrensrecht und die Sicherheitsanforderungen an bauliche Anlagen geregelt.
Die Bauordnungsnovelle geht zurück auf den Wohnungsgipfel vom 11. September 2019. Sie berücksichtigt wesentliche Ergebnisse einer umfangreichen Abfrage
unter den Verbänden des Wohnungsbaus, der Bauwirtschaft und der kommunalen
Spitzenverbände sowie einer vom Bayerischen Landtag am 22. Oktober 2019
durchgeführten Expertenanhörung.
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Sehr geehrter Herr Ministerialdirektor,
die Bayerische Ingenieurekammer-Bau dankt Ihnen für die Gelegenheit, zu dem oben genannten Gesetzentwurf Stellung nehmen zu können. Grundsätzlich begrüßt die Kammer alle Schritte hin zu sinnvollen Vereinfachungen und Erleichterungen, wie dies etwa mit der Ergänzung in Art. 24 Abs. 2 BayBO und der damit verbundenen Zulässigkeit brennbarer Baustoffe für feuerbeständige oder hochfeuerhemmende Bauteile der Fall ist, die den Technischen Baubestimmungen entsprechen. Erleichterungen sind jedoch dann kritisch zu sehen, wenn mit ihnen die Ziele des Bauordnungsrechts aus dem Blick geraten. Das veranlasst uns, in Bezug auf die nachfolgenden Aspekte Modifikationen anzumahnen oder den Verzicht auf die Änderungen einzufordern.
1. Nr. 7b (Änderung von Art. 26 Abs. 5 BayBO)
Nach dem neuen Satz 2 sollen hinterlüftete
Außenwandbekleidungen, die den Technischen Baubestimmungen entsprechen, mit
Ausnahme der Dämmstoffe, aus normalentflammbaren Baustoffen zulässig sein.
Dieser Ansatz ist nur dann vertretbar, wenn im Gleichklang mit der Muster-Holzbaurichtlinie
eine geschossweise Unterbrechung der Hinterlüftung vorgesehen wird.
2. Nr. 9b bb (Änderung von Art. 31 Abs. 1 BayBO)
Der Verzicht auf den zweiten Rettungsweg bei ebenerdigen Nutzungseinheiten mit unmittelbarem Ausgang ins Freie muss beschränkt werden auf Nutzungseinheiten i.S.v. Art. 34 Abs. 1 Satz 2 BayBO. Der Verweis auf Art. 34 Abs. 3 Satz 4 muss aufgelöst werden auf die explizite Angabe der maximalen Rettungsweglänge von 15m, da der Zusammenhang zu einem Sicherheitstreppenraum bei einer erdgeschossigen Nutzungseinheit in die Irre leitet. Mit der maximalen Eindringtiefe von 15m bleibt auch das Schutzziel der wirksamen Löschmaßnahmen gewahrt.
3. Nr. 10 (Änderung von Art. 37 Abs. 4 BayBO)
Die Befreiung von der Aufzugspflicht bei Aufstockungen, wenn die Anforderungen nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand erfüllt werden können, ist nach Ansicht der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau zu unbestimmt. Die Erläuterung in der Begründung, wonach sich die Unverhältnismäßigkeit „in der Regel aus objektiven und subjektiven Umständen im Einzelfall ergeben“ werde, trägt kaum zur Klarheit bei. Zudem bleibt unbeantwortet, wie die Lockerung mit dem Gebot der Barrierefreiheit (Art. 48 BayBO) vereinbar ist.
4. Nr. 11 (Änderung von Art. 46 BayBO)
Die im neuen Absatz 5 vorgesehenen Erleichterungen bei Nutzungsänderungen durch Umwandlung bestehender Aufenthaltsräume in Wohnräume sind sinnvoll. Allerdings hält es die Bayerischen Ingenieurekammer-Bau für geboten, die Nutzungsänderung zumindest der unteren Bauaufsichtsbehörde anzuzeigen, um zu verhindern, dass die dort bestehende Aktenlage nicht mehr dem materiellen Baurecht entspricht. Dies würde nebenbei bewirken, die Übersicht über die bestehende Wohnungsanzahl aktuell zu halten.
5. Nr. 16b (Änderung von Art. 57)
Mit der Einführung des neuen Abs. 4a soll der Dachgeschossausbau verfahrensfrei gestellt werden. Diese Neuerung wird abgelehnt. Nach den Erfahrungen der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau gehört der Dachgeschossausbau unter den Bauprojekten im Bestand zu den technisch anspruchsvollsten und bereitet entsprechend oftmals große Probleme. So ist die statische Situation oft ebenso unklar wie der Brandschutz. Bei Verfahrensfreiheit bleiben zwar die materiellen Anforderungen der Art. 10 und 12 bestehen, es entfällt aber die Pflicht, einen bautechnischen Nachweis zu erstellen. Folglich wird ein solcher auch nicht erstellt werden, so dass bereits nicht mehr gewährleistet ist, dass die materiellen Anforderungen beim Dachgeschossausbau überhaupt beachtet werden. Daran kann die Bindung an eine örtliche Satzung so wenig ändern wie die Beschränkung auf den Innbereich nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB.
6. Nr. 21, 31 (Änderung von Art. 62b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2; Art. 77 Abs. 2 Satz 2 BayBO)
Künftig soll auf die Prüfung des Brandschutznachweises und die entsprechende Bauüberwachung bei Mittelgaragen verzichtet werden. Auch diese Änderung wird abgelehnt. Die brandschutztechnischen Beanstandungen sind in der Praxis der Bauüberwachung von Mittelgaragen sehr hoch, insbesondere bei Abschottungen und Verbindungen in das Gebäude zu den Rettungswegen. Aber auch der Brandschutznachweis verlangt häufig Korrekturen, sehr oft wird dort schon der zweite Rettungsweg nicht ausreichend beachtet, da der Rettungsweg über die Garagenrampe bei Toren oder Gitterverschlüssen besondere Maßnahmen erfordert. Die Herausnahme der Brandschutzprüfung bei Planung und Ausführung von Mittelgaragen würde deshalb zu einer erheblichen Erhöhung der Risiken für Personenschäden in Brandfällen führen, die wir nicht mehr für vertretbar halten.
7. Nr. 26b (Änderung von Art. 68 BayBO)
Kritisch wird die Einführung einer Genehmigungsfiktion gesehen. Sie wird zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen, weil Zeitpunkt und Inhalt des erworbenen Baurechts unklar bleiben, woran die zu erteilende Bescheinigung nach Art. 42a Abs. 3 BayVwVfG nur wenig ändern kann. In jedem Fall sollte die Möglichkeit der Genehmigungsfiktion auf Bauanträge beschränkt bleiben, mit denen keine Abweichungen i.S.v. Art. 63 BayBO beantragt werden.
8. Nr. 29 (Einfügung von Art. 73a BayBO)
Die vorgesehene Typengenehmigung kann auch nach Auffassung der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau zu einer Verfahrenserleichterung führen. Es muss jedoch gewährleistet bleiben, dass der Bescheid über die Typengenehmigung zusammen mit dem Bauantrag der unteren Bauaufsichtsbehörde vorgelegt und von dieser zumindest daraufhin überprüft wird, ob die der Typengenehmigung zugrunde liegenden Umstände den konkreten Bauabsichten entsprechen und mit den Verhältnissen vor Ort übereinstimmen, insbesondere ob ggf. fehlende bautechnische Nachweise erstellt wurden.
9. Nr. 34 (Einfügung von Art. 80a BayBO)
Keine Bedenken bestehen gegen die Ermächtigung der Staatsregierung, zur Digitalisierung der baurechtlichen Verfahren Abweichungen von Zuständigkeits-, Verfahrens- und Formvorschriften vorzusehen. Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau geht hierbei davon aus, dass sie zu dem Entwurf der Rechtsverordnung mit angemessenem Zeitfenster angehört wird.
Soweit die Kammer das Signal erreicht, dass den hier dargestellten Einwänden Rechnung getragen werden soll, steht sie selbstverständlich gern unterstützend für die Formulierung der gebotenen Modifikationen zur Verfügung. Auch bieten wir an, die hier vorgetragenen Bedenken, insbesondere gegen die Verfahrensfreiheit beim Dachgeschossausbau, gesprächsweise zu vertiefen.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr.-Ing.
Norbert Gebbeken
Präsident
Quellen: Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr, Bayerische Ingenieurekammer-Bau; © Foto: Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr, eigene Bearbeitung
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