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Die HOAI, der EuGH und die Hängepartie

Kommentar von Dr. Andreas Ebert, Justiziar der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau

09.09.2019 - München

Die HOAI, der EuGH und die Hängepartie

Es war das befürchtete Erdbeben, die Schockwellen der EuGH-Entscheidung vom 04.07.2019 haben den Berufsstand durchzogen, ohne dass sich Auswirkungen bereits absehen ließen. Immerhin schien endlich Gewissheit um die Zukunft der HOAI-Mindestsätze eingetreten zu sein. Doch während Architekten und Ingenieure sich noch die Wunden lecken, haben die ersten Gerichte mit den Aufräumarbeiten begonnen. Dabei haben sie ihrerseits so viel Staub aufgewirbelt, dass Klarheit nur über schlechte Sicht herrscht, kommentiert Dr. Andreas Ebert, Justiziar der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau.

Kommentar: Dr. Andreas Ebert
Kommentar: Dr. Andreas Ebert

Den ersten Aufschlag hat das OLG Celle gewagt, das in zwei kurz aufeinanderfolgenden Urteilen (v. 17.07.2019, 14 U 188/18 und v. 23.07.2019, 14 U 182/18) aus der Europarechtswidrigkeit der Mindest- und Höchstsätze ein Anwendungsverbot der Gerichte hinsichtlich der mit EU-Recht nicht zu vereinbarenden Regelungen ableitet, und zwar auch in den Verfahren, die schon vor der EuGH-Entscheidung anhängig waren.

Infolge des Luxemburger Urteils sei es von Rechts wegen nicht mehr zulässig, getroffene Honorarvereinbarungen an den Mindest- und Höchstsätzen der HOAI zu messen.

Pauschalhonorar

Honorarvereinbarungen, die das Preisrecht der HOAI ignorieren, seien daher unter diesem Gesichtspunkt nicht mehr unzulässig. Infolgedessen sei eine Nachforderung zur Schlussrechnung auf der Basis der Mindestsätze nicht mehr möglich. Bei Erbringung von Teilleistungen eines Vertrags mit Pauschalhonorarvereinbarung sei das Honorar nach dem Verhältnis der erbrachten Teilleistungen zum wirksam vereinbarten Pauschalhonorar zu bemessen.

Auf die anrechenbaren Kosten komme es dabei ebenso wenig an wie auf einen Tafelwert nach den Honorartabellen der HOAI, wenn die Parteien das Honorar davon unabhängig vereinbart haben.

Bundesregierung in der Pflicht?

Während in einem der Fälle aus Celle ein Ingenieur mit Honorarnachforderungen aus fünf Verträgen zur Errichtung einer Bioenergieanlage scheiterte, mit denen er versucht hatte, die vereinbarte und bezahlte Vergütung nachträglich auf das Mindesthonorar aufzustocken, ging im zweiten Fall der Auftraggeber leer aus, der eine das Höchsthonorar überschreitende Pauschale auf den Höchstsatz drücken wollte.

Das OLG Celle legt der EuGH-Entscheidung folglich eine unmittelbare Wirkung auch im Verhältnis der Privaten zueinander zugrunde. Ganz anders dagegen das OLG Hamm (Urteil v. 23.07.2019, 21 U 24/18), das sich auf die Seite derer schlägt, die nur die Bundesregierung in der Pflicht sehen, auf das Luxemburger Urteil zu reagieren. Es hat – ironischerweise taggleich mit der zweiten Celler Entscheidung – geurteilt, dass sich ein Ingenieur trotz des EuGH-Urteils auf die Unterschreitung der Mindestsätze durch eine Pauschalhonorarvereinbarung berufen könne:

Beauftragt war der Ingenieur mit Leistungen der Technischen Gebäudeausrüstung (LPH 2 – 8) gegen eine Honorarpauschale, mit der die Vertragsparteien unstreitig den Mindestsatz unterschritten hatten. Nach Auffassung des OLG Hamm war die Pauschalvereinbarung deshalb unwirksam, es galten die Mindestsätze. Das Urteil des EuGH ändere daran nichts, es binde nämlich nur den Mitgliedstaat, der nach eigenem Ermessen die geeigneten Maßnahmen ergreifen müsse, um den europarechtswidrigen Zustand zu beseitigen. Für den einzelnen Unionsbürger gehe von dem Urteil dagegen keine Rechtswirkung aus.

Keine Berufung auf Richtlinie

Die Feststellung der Europarechtswidrigkeit der Mindestsätze der HOAI im Vertragsverletzungsverfahren ändere nichts daran, dass zum Zeitpunkt des Verstoßes die HOAI zu beachten war, denn insofern gebe es keine Rückwirkung. Eine Richtlinie könne nicht selbst Verpflichtungen für den Einzelnen begründen, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist.

Würde die Möglichkeit, sich auf eine Bestimmung einer nicht oder unrichtig umgesetzten Richtlinie zu berufen, auf den Bereich der Beziehungen zwischen Privaten ausgedehnt, liefe das nach Ansicht des OLG Hamm darauf hinaus, der EU die Befugnis zuzuerkennen, mit unmittelbarer Wirkung zu Lasten der Einzelnen Verpflichtungen anzuordnen, obwohl ihr dies nur dort gestattet sei, wo ihr die Befugnis zum Erlass von EU-Verordnungen zugewiesen ist. Eine Richtlinie könne deshalb nicht in einem Rechtsstreit zwischen Privaten angeführt werden, um die Anwendung der Regelung eines Mitgliedstaats, die gegen diese Richtlinie verstößt, auszuschließen.

Feststellender Charakter

Die westfälischen Richter befinden sich in guter Gesellschaft. Auch wenn sie nicht die Kollegen aus Celle an ihrer Seite haben, so können sie sich doch der Zustimmung des OLG Naumburg (Urteil v. 13.04.2017, 1 U 48/11), des Kammergerichts Berlin (Urteil v. 01.12.2017, 21 U 19/12) und sogar des Landesberufsgerichts für Architekten am Oberverwaltungsgericht in Münster (Beschl. v. 01.08.2018, 6s E 46/18) sicher sein.

All diese Gerichte haben unisono erklärt, ein stattgebendes Urteil des EuGH im Vertragsverletzungsverfahren habe nur feststellenden Charakter (vgl. Art. 260 Abs. 1 AEUV) und entfalte keine Rechtswirkung für den einzelnen Unionsbürger.

Unions- vs. innerstaatliches Recht

Und als würde das nicht reichen, stützt sich das OLG Hamm auch noch auf keine geringere Instanz als den EuGH selbst, der in der für ihn typischen schwerfälligen Sprache vor ca. einem Jahr ausgeurteilt hat, das Unionsrecht, insbesondere Art. 288 AEUV, sei „dahin auszulegen, dass ein mit einem Rechtsstreit zwischen Privaten befasstes nationales Gericht, das sich außerstande sieht, Vorschriften seines innerstaatlichen Rechts, die einer Richtlinienbestimmung, die alle Voraussetzungen erfüllt, um unmittelbare Wirkung zu entfalten, zuwiderlaufen, in einer mit dieser Bestimmung im Einklang stehenden Weise auszulegen, nicht allein auf der Grundlage des Unionsrechts verpflichtet ist, die innerstaatlichen Vorschriften sowie eine mit ihnen im Einklang stehende Klausel in einem Versicherungsvertrag unangewendet zu lassen“ (EuGH, Urteil v. 07.08.2018, C-122/17).

Das heißt vereinfacht gesprochen nichts anderes, als dass die nationalen Vorschriften von den Gerichten auch dann weiter angewendet werden dürfen, wenn sie einer EU-Richtlinie widersprechen. Der dadurch Benachteiligte könne dann von seinem Mitgliedsstaat Schadensersatz verlangen, der die Richtlinie nicht korrekt in nationales Recht umgesetzt hat.

Hängepartie geht weiter

Die gegenläufige Position des OLG Celle stützt sich allein auf das nicht näher begründete Argument des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts und auf das LG Dresden (Beschl. v. 08.02.2018, 6 O 1751/15), welches sein Verfahren sogar selbst dem EuGH vorgelegt hat.

Angesichts der tiefergehenden Begründung ist das OLG Hamm zumindest vorläufiger Punktsieger. Den Staubnebel beseitigen könnte der BGH, wenn ihm das Urteil aus Hamm wegen Divergenz zur Entscheidung aus Celle im Revisionswege zugeleitet wird. Sein Urteil wäre frühestens im nächsten Sommer zu erwarten, bis dahin können Ingenieure, Architekten und ihre Auftraggeber ihre vertraglichen Schritte nur auf Sicht planen. Einstweilen geht die Hängepartie also weiter.

Autor: Dr. Andreas Ebert, Justiziar der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau

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