21.02.2019 - Berlin
Am 22. Februar 2019 hat die Bundesingenieurkammer in einem gemeinsamen Schreiben mit der Bundesarchitektenkammer und dem AHO an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier appelliert, die bisherige Ausschreibungs- und Vergabepraxis bei der Auftragswertberechnung von Planungsleistungen gegenüber der Europäischen Kommission und notfalls auch gegenüber dem Europäischen Gerichtshof zu verteidigen
Die Europäische Kommission hat gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren wegen § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV eingeleitet. In diesem ist geregelt, dass bei der Auftragswertberechnung von Planungsleistungen nur der Wert für Lose gleichartiger Leistungen zusammenzurechnen ist. Die EU-Kommission sieht hierin einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 8 RL 2014/24/EU wonach grundsätzlich der geschätzte Gesamtwert aller Lose zusammenzurechnen ist.
Das Schreiben wurde ebenfalls zur Information an die Bundesminister Seehofer (BMI) und Scheuer (BMVI) geschickt, mit deren Häusern sich das Bundeswirtschaftsministerium zum weiteren Vorgehen in dieser Sache abstimmen will.
HIer das Schreiben im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Bundesminister,
am 24.1. des Jahres hat die EU-Kommission gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren im Zusammenhang mit der Auftragswertberechnung bei Planungsleistungen eingeleitet.
Mit der jüngst auf Basis der europäischen Vergaberichtlinien erfolgten Novellierung des Vergaberechts wurde mit § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV die Vorgabe aufgenommen, dass Planungsleistungen im Zuge der Realisierung eines Bauvorhabens nur dann zur Ermittlung des maßgeblichen Auftragswertes für die europaweite öffentliche Vergabe zu addieren seien, wenn es sich um sogenannte „gleichartige Leistungen“ handelt. Diese Regelung entspricht einer seit 1997 für alle freiberuflichen Leistungen gelten- den Bestimmung im deutschen Vergaberecht, nunmehr lediglich konzentriert auf Planungsleistungen. Die betreffende Norm wurde von der EU-Kommission nie als angeblich europarechtswidrig dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.
Als „gleichartige Leistungen“ in diesem Sinne gelten –
entsprechend der früheren Norm – nach weit verbreitetem Verständnis nur
Leistungen derselben Planungsprofession, die sich auf dieselbe Planungsaufgabe
beziehen. Grund für diese Vorgabe sind die vollkommen unterschiedlichen Inhalte
der verschiedenen Planungsgegenstände, die durch je unterschiedlich
ausgebildete und mit gänzlich unterschiedlichem Wissen ausgestattete
Berufsgruppen erbracht werden, die schließlich in je eigenständigen
Büros/Unternehmen organisiert sind. Beispielsweise werden geotechnische
Untersuchungen und die Tragwerksplanung von Fachingenieuren jeweils
unterschiedlicher Qualifikationen erbracht, die technische Ausrüstung ebenfalls
von Fachingenieuren, unter anderem von Elektroingenieuren, und die Gebäude von
Architekten geplant. Zudem gibt es in Europa sehr unterschiedliche
Planungskulturen mit sehr verschiedenen Auftragsinhalten und -umfängen. Ein
undifferenzierter europaweiter Abgleich ist daher nicht möglich.
Dementsprechend werden aktuell für die Berechnung des maßgeblichen Schwellenwertes für Architektenleistungen beispielsweise nur die Leistungen der Gebäudeplanung angesetzt, nicht jedoch die weiteren gegebenenfalls noch notwendigen Planungsleistungen aus dem Bereich der Tragwerksplanung oder der Haustechnik.
Eine Umstellung dieser Praxis im Sinne der Vorstellungen der EU-Kommission würde zu erheblichen Umwälzungen in der Vergabepraxis führen:
Wir sehen in dem jetzigen Vorstoß der EU Kommission einen erheblichen und ungerechtfertigten, letztlich auf rein marktpolitischen Forderungen beruhenden Angriff auf eine bewährte und erfolgreiche Vergabepraxis in Deutschland. Im Übrigen gab es auch bei den bislang europaweit ausgeschriebenen großen Planungsaufträgen so gut wie kein Interesse ausländischer Planungsbüros. Eine vom Architects Council of Europe in Auftrag gegebene Studie mit dem Titel „Cross-border services trade and regulation“ kommt zu dem Ergebnis, dass es im Bereich Architektur nicht viele grenzüberschreitende Dienstleistungen gibt. Dies liegt laut der Studie in erster Linie an den unterschiedlichen Rechtssystemen und fehlenden Sprachkenntnissen. Eine Vorgabe zur EU-weiten Ausschreibung auch bei kleineren Aufträgen würde hieran nichts ändern.
Wir bitten Sie daher, nachdrücklich für den Erhalt der bestehenden Regelung einzutreten.
Sollte die EU-Kommission, wovon auszugehen ist, das Vertragsverletzungsverfahren weiter betreiben, halten wir es nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit für geboten, eine finale Klärung durch den Europäischen Gerichtshof herbeizuführen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Erich Rippert
Vorsitzender des AHO
Barbara Ettinger-Brinckmann
Präsidentin der Präsident
der Bundesarchitektenkammer
Hans-Ullrich Kammeyer
Präsident der Bundesingenieurkammer
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