21.09.2018 - München
In den letzten Tagen sind tausende Bürger auf die Straße gegangen, um gegen zu hohe Mieten zu protestieren. Laut der neuesten Studie der Böckler Stiftung fehlen in Deutschland fast 2 Millionen bezahlbare Wohnungen. Inwiefern Umnutzungen oder steuerliche Anreize Lösungsansätze bieten und warum Baugenehmigungsverfahren beschleunigt werden müssen, darum geht es in dem Artikel von Alexander Lyssoudis, Vorstandsmitglied der Kammer.
In den letzten Tagen sind tausende Bürger auf die Straße gegangen, um gegen zu hohe Mieten zu protestieren. Der Ärger der Bürger richtet sich gegen Luxussanierungen und die daraus resultierenden Mieten, die sich der Normalverbraucher nicht mehr leisten kann, sowie gegen die allgemeine Wohnungsnot.
Jetzt müssen die jüngsten Beschlüsse der Bundesregierung auf den Prüfstand – mit dem Baukindergeld, einer Förderung für Städte und einer Mieterschutznovelle will man dem Problem beikommen. Im Wohngipfel wird besprochen, so Bundeskanzlerin Angela Merkel, „wie mehr Bauland zur Verfügung gestellt und Verfahren und Prozeduren verkürzt werden können“.
2
Millionen Wohnungen fehlen
Laut
der neuesten Studie im Auftrag der Böckler Stiftung fehlen in Deutschland fast
2 Millionen bezahlbare Wohnungen. Bezahlbar gilt demnach eine Wohnung, die
nicht mehr als 30% des monatlichen Einkommens als Bemessungsgrenze kostet. Hier
ist aber nicht das Problem bei großen Familien zu sehen, sondern besondere
Belastungen gibt es bei alleinstehenden Menschen mit geringem Einkommen. Es
fehlen in den Städten Wohnungen mit Wohnflächen unter 50m².
Doch die Anzahl genehmigter und fertiggestellter Wohnungen bleibt hinter den Anforderungen zurück. Nach Angabe des Bayerischen Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung sind 2017 rund 53.500 Wohnungen genehmigt oder fertig gestellt worden. Da der veranschlagte Bedarf bei ca. 70.000 liegt, fehlen hier immer noch 25-30%.
Bezahlbares Bauland ist selten. Die durchschnittlichen Preise für baureifen Grund und Boden in den Ballungsräumen Bayerns sind in den letzten 10 Jahren teilweise schon um 100% angestiegen.
Umnutzung und steuerliche
Anreize
Ein
Lösungsansatz wäre, brachliegende oder geringwertig genutzte Grundstücke der
öffentlichen Hand als Wohnraum zu nutzen, sich aber in jedem Fall für die
Erstellung von Baulandkatastern über bebaubare öffentliche Grundstücke
einzusetzen. Eine weitere Möglichkeit wäre die Umwidmung von landwirtschaftlich
genutzten Flächen durch steuerlich begünstigte Reinvestitionsmöglichkeiten der
Erlöse in den Mietwohnungsbau.
Sicherlich wird die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbarte temporäre Sonderabschreibung für den Mietwohnungsbau zusätzliche Abhilfe schaffen. Es muss aber sichergestellt sein, dass diese steuerlichen Anreize auch beim Endverbraucher ankommen. Die Stärkung des Mietwohnungsbaus erfordert in jedem Fall verlässliche steuerliche Rahmenbedingungen auch für private Investoren, die über einen 5-Jahreszeitraum hinausgehen.
Baugenehmigungsverfahren
beschleunigen
Doch
was die Umsetzung einer höheren Bautätigkeit ebenfalls erforderlich macht, und
den Ingenieuren und Architekten wichtig ist, wäre, insgesamt die
Baugenehmigungsverfahren zu beschleunigen. Wenn es hierzulande regelmäßig sein
kann, dass es 5-15 Jahre dauert, bis aus Rohbauland baureifes Land mit einer
Baugenehmigung für ein Projekt wird, brauchen wir Standardisierungen in den
Arbeitsabläufen in den Ämtern und Förderungen für die Kommunen und Städte, um
Fachpersonal in den Genehmigungsbehörden aufzubauen. Auch die Einführung von
Fristen für vorgeschaltete Verfahren wie Gestaltungsgremien und die Einhaltung
der in der Bauordnung vorgegebenen Fristen für Beteiligungen und
Genehmigungsverfahren kann dazu dienen, die Verfahren zu beschleunigen.
Doch am Ende haben auch die gesteigerten technischen Anforderungen, Baubestimmungen und Normen einen nicht unwesentlichen Anteil an den Kostensteigerungen für zeitgemäßes Bauen. Es scheint zwar aus ökologischen Gründen sinnvoll, die Anforderungen an energetischen Vorgaben für den Energieverbrauch von Gebäuden zu erhöhen – aus Sicht der Ingenieure wäre aber der Einsatz von Nachrüstverpflichtungen im Gebäudebestand zur Ausschöpfung des immensen Einsparpotenziales sinnvoller als eine weitere Verschärfung im Neubausektor im neuen Gebäudeenergiegesetz zu vollziehen.
Kolumne von Alexander Lyssoudis, Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, veröffentlicht in der Bayerischen Staatszeitung vom 21.09.2018.
Kolumne in der Bayerischen Staatszeitung
Die Bayerische Ingenieurekammer veröffentlicht einmal im Monat eine Kolumne zu aktuellen Themen in der Bayerischen Staatszeitung. Hier nehmen die Mitglieder des Vorstands der Kammer Stellung zu Themen aus Bauwesen, Politik und Gesellschaft.
Hier haben wir Ihnen alle Kolumnen zum Lesen oder als Download bereitgestellt.
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