11.05.2018 - München
Im Jahr 2017 waren weltweit ca. 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Sie setzen ihr Leben aufs Spiel, um ihre Heimat wegen gewaltsamer Konflikte und Verfolgung zu verlassen. Was das mit dem Fachkräftemangel in Deutschland zu tun hat und was die Bayerische Ingenieurekammer-Bau unternimmt, um geflüchtete Ingenieure in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren, das zeigt Kammerpräsident Prof. Dr. Norbert Gebbeken in diesem Artikel.
Jahr für Jahr setzen Menschen ihr Leben aufs Spiel, um ihre Heimat zu verlassen, in der sie wegen gewaltsamer Konflikte und Verfolgung nicht mehr leben können. Im Jahr 2017 waren weltweit ca. 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Viele, die nach Deutschland kommen, leiden unter posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), die die Integration erschweren, weil die PTBS derart dominiert, dass die Betroffenen ohne Behandlung zunächst weder unsere Sprache erlernen, noch an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen können. Die Universität der Bundeswehr München hat ein PTBS-Zentrum aufgebaut und kooperiert in der Forschung und Therapie mit israelischen Spezialisten. Ein Teil der Flüchtlinge kann „Papiere“ vorweisen, ein Teil nicht. In jedem Fall ist es wichtig, die jeweilige Qualifikation des Flüchtlings festzustellen.
Fachkräftemangel
Deutschland
leidet unter einem erheblichen Fachkräftemangel. Unsere aktuelle
Konjunkturumfrage zeigt, dass 51% der Ingenieurbüros offene Stellen haben. 75%
der Büros haben Probleme, die freien Stellen mit qualifizierten Mitarbeitern zu
besetzen. Bei öffentlichen Arbeitgebern sieht es ähnlich aus. Das Angebot an
qualifizierten Arbeitnehmern scheint in Deutschland ausgeschöpft. Die Arbeitslosenquote
liegt in Bayern bei unter 3%. Wir müssen also das Potential unter den
Flüchtlingen erkennen und fördern.
Ausländische Hochschulabschlüsse
Die Hochschulen bieten inzwischen „Schnuppersemester“ für Flüchtlinge an, die ihnen eine Orientierung geben können. Die Kammer ist Anerkennungsstelle für ausländische Hochschulabschlüsse für am Bau tätige Ingenieure. Bei uns melden sich also nur diejenigen, die ihre Dokumente haben. Die Unterlagen werden einfach formal per Post eingereicht oder die Antragsteller rufen an oder kommen vorbei. In jedem Fall versuchen wir, telefonisch oder persönlich Kontakt aufzunehmen.
Die
formalen Kriterien erfüllen fast alle Antragsteller. Oft sprechen sie schon
deutsch, aber eigentlich alle wissen, dass die Beherrschung der deutschen
Sprache entscheidend für den beruflichen Erfolg ist. Nach Anerkennung der
Abschlüsse versuchen wir, den Kontakt aufrecht zu erhalten, um zu sehen, wie es
mit den Ingenieuren beruflich weitergeht. In unserer Mitgliederzeitschrift
stellen wir anerkannte Ingenieure vor, damit Arbeitgeber aufmerksam werden. Die
Büros bieten auch spezielle Stellen an, damit die anerkannten Ingenieure sich
langsam eingewöhnen können.
Angebote für ausländische Ingenieure
Die Kammer öffnet den Ingenieuren darüber hinaus ihre Weiterbildungsangebote, auch wenn sie noch nicht Kammermitglieder sind. Unser seit 2015 in Deutschland einmaliges Traineeprogramm, das in Zusammenarbeit mit der OBB – jetzt Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr und dem Bauindustrieverband entstanden ist, ist eine hervorragende Möglichkeit, sich innerhalb von neun Monaten in alle wesentlichen Teilgebiete schnell einzuarbeiten. Hierfür wäre eine staatliche finanzielle Förderung für Flüchtlinge wünschenswert.
In
der Initiative "Chancenbörse" kooperieren wir unter anderem mit dem
IQ-Landesnetzwerk MigraNet der Stadt München, um Flüchtlinge zu unterstützen.
Die Kammer strebt eine langfristige Begleitung von anerkannten Flüchtlingen an;
einerseits um das eigene Angebot zu verbessern, andererseits um statistische
Daten über den beruflichen Erfolg zu erheben. Werden die Flüchtlinge bei uns
sesshaft, so fehlen sie nach der Bekämpfung der Fluchtursachen ihrem
Heimatland. Beim Wiederaufbau werden gerade die Fachkräfte benötigt. Auch
hierin können wir eine Chance erkennen, indem wir internationale Kooperationen
eingehen.
Bekämpfung der Fluchtursachen
Eine weitere wichtige Aufgabe für uns besteht in der Bekämpfung der Fluchtursachen vor Ort. Egal, ob es kriegerische Auseinandersetzungen sind oder die Folgen des Klimawandels oder Naturkatastrophen, die Menschen benötigen Kleidung, Nahrung – insbesondere sauberes Wasser, Wohnung und wichtigste soziale und technische Infrastrukturen. Für all diese Herausforderungen sind maßgeblich am Bau tätige Ingenieure verantwortlich.
Um diese gesellschaftliche Verantwortung der Ingenieure zu verdeutlichen, richtete die Kammer gemeinsam mit der Akademie für politische Bildung in Tutzing am 04.+05. Mai die Tagung „Mit Infrastrukturen gegen Fluchtursachen“ aus. Diese Initiativen machen deutlich, dass wir sowohl im Inland als auch in den Krisengebieten aktiv werden müssen, um eine lebenswerte Umwelt zu gestalten und Menschen in Not zu helfen.
Kolumne von Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, veröffentlicht in der Bayerischen Staatszeitung vom 11.05.2018.
Kolumne in der Bayerischen Staatszeitung
Die Bayerische Ingenieurekammer veröffentlicht einmal im Monat eine Kolumne zu aktuellen Themen in der Bayerischen Staatszeitung. Hier nehmen die Mitglieder des Vorstands der Kammer Stellung zu Themen aus Bauwesen, Politik und Gesellschaft.
Hier haben wir Ihnen alle Kolumnen zum Lesen oder als Download bereitgestellt.
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