23.02.2018 - München
Einmal im Monat nehmen die Mitglieder des Vorstands der Kammer Stellung zu Themen aus Bauwesen, Politik und Gesellschaft. In der Ausgabe der Bayerischen Staatszeitung vom 23.02.2018 schreibt Vorstandsmitglied Dieter Räsch über das Thema „Barrierefreies Wohnen: Investition in die Zukunft?“ Bei dem heutigen Wissen um die demographische Entwicklung stellt sich die Frage, ob ob sich die Planungsziele weniger an den Minimalanforderungen der BayBO, als vielmehr an den zukünftigen Bedürfnissen der Menschen orientieren sollte. Lesen Sie hier den gesamten Artikel.
Die demographische Entwicklung in Deutschland weist eine deutliche Alterung der Gesellschaft aus. Nach aktuellen Statistiken werden im Jahr 2060 etwa 13 Millionen Deutsche zwischen 65 und 80 Jahre und weitere neun Millionen über 80 Jahre alt sein, was zukünftig insgesamt rund 33 Prozent der Bevölkerung ausmachen wird. Es ist somit erforderlich, bereits heute auf die Anforderungen an das Wohnen für eine immer älter werdende Gesellschaft zu reagieren.
Wird es also ausreichen, in Neubauten mit mehr als zwei Wohnungen als Mindestanforderung nur die Wohnungen eines einzigen Geschosses barrierefrei erreichbar auszuführen, wie es seit 2007 im Artikel 48 der Bayerischen Bauordnung (BayBO) gefordert wird?
Nehmen wir als Beispiel ein vierstöckiges Wohngebäude mit drei Wohnungen pro Geschoss und einer Wohnung im Dachgeschoss: Genügt es dann wirklich, wie bauordnungsrechtlich gefordert, lediglich eine Wohnung und damit nur ein Fünftel der Wohnungen barrierefrei auszuführen? Dies erscheint in Anbetracht der oben genannten Zahlen nicht ausreichend.
Ausreichend große Bewegungsflächen
Mit der Einführung der DIN 18040 „Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 2: Wohnungen“ werden seit 2013 Möglichkeiten für die Umsetzung des barrierefreie Wohnens aufgezeigt. Das Ziel der Norm ist in erster Linie die Herstellung barrierefreier baulicher Anlagen für Menschen mit Behinderung. Sie berücksichtigt unter anderem die Bedürfnisse von Personen, die Mobilitätshilfen und Rollstühle benutzen. Daraus ergeben sich aber auch Nutzungserleichterungen für ältere Menschen, Kinder und Personen mit Kinderwagen oder Gepäck.
Innerhalb und außerhalb des Gebäudes müssen beispielsweise ausreichend große Bewegungsflächen geschaffen werden, um das Gebäude ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auch für mobilitätseingeschränkte Menschen zugänglich und nutzbar zu machen. Die schwellenlose Erreichbarkeit des Gebäudes von der öffentlichen Verkehrsfläche bis zu den barrierefreien Wohnungen ist darin eingeschlossen. Innerhalb der Wohnungen sind ebenfalls Bewegungsflächen vorgesehen, die ein Drehen und Wenden mit Gehhilfen oder Rollstühlen ermöglichen.
Die Türen innerhalb der Wohnung sind schwellenlos auszuführen. Von den in der DIN 18040-2 aufgezeigten Maßnahmen zur Herstellung barrierefreier Wohngebäude profitieren letztendlich nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern beispielsweise auch Menschen mit altersbedingten Mobilitätseinschränkungen.
Bauordnungsrechtlich nicht zwingend
Bauordnungsrechtliche Forderungen an die Barrierefreiheit beziehen sich aber nicht auf alle Bereiche einer Wohnung oder eines Wohngebäudes. Man kann demnach ein bauordnungskonformes, barrierefreies Wohngebäude herstellen, ohne die barrierefreie Zugänglichkeit zu anderen Geschossen, zum Keller, zur Tiefgarage und zum Freisitz zu gewährleisten. Möglichkeiten, wie eine Barrierefreiheit auch in diesen Bereichen hergestellt werden kann, werden in der DIN 18040-2 zwar aufgezeigt, die entsprechenden Abschnitte sind von der Einführung als technische Baubestimmung aber ausgeschlossen und somit bauordnungsrechtlich nicht zwingend umzusetzen.
Aber: Sollte es bei dem heutigen Wissen um die demographische Entwicklung nicht eher das Planungsziel sein, sich weniger an den Minimalanforderungen der BayBO als vielmehr an den zukünftigen Bedürfnissen der Menschen zu orientieren? Bauordnungsrechtlich nicht zwingend vorgeschriebene Anforderungen sollten durch privatrechtlich vereinbarte Ziele und eine frühzeitige, geschickte Planung den benötigten Mehraufwand fördern und wertschätzen.
In der EU ist das Umdenken zum barrierefreien Bauen bereits angekommen. Im bisherigen Entwurf der neuen EU-Norm DIN EN 17210 zum barrierefreien Bauen sind jedoch keine konkreten Regelungen zum barrierefreien Wohnen beschrieben. Für die Weiterentwicklung des mit der DIN 18040-2 gelegten Grundsteins zum barrierefreien Wohnen in Deutschland wäre es jedoch wichtig, dass auch hier ähnlich detaillierte Anforderungen gestellt werden.
Kolumne in der Bayerischen Staatszeitung
Die Bayerische Ingenieurekammer veröffentlicht einmal im Monat eine Kolumne zu aktuellen Themen in der Bayerischen Staatszeitung. Hier nehmen die Mitglieder des Vorstands der Kammer Stellung zu Themen aus Bauwesen, Politik und Gesellschaft.
Hier haben wir Ihnen alle Kolumnen zum Lesen oder als Download bereitgestellt.
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